Diplomat ist ein hochinteressanter, wenn auch schwieriger Beruf. Das erleben derzeit zwei helvetische Spitzendiplomaten von höchster Kompetenz: Valentin Zellweger, der Schweizer Vertreter bei der Uno in Genf, und Roberto Balzaretti, der Direktor der Völkerrechtsabteilung im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
ILLEGALE FINANZSTRÖME. Kein internationaler Korruptions- oder Raubgeldskandal ohne aktive Mithilfe der Schweizer Banken! Wer leidet darunter? Die geplünderten Völker … und der Ruf der Schweiz. Balzaretti, seit kurzem im Amt, lancierte deshalb eine öffentliche Kampagne, um zu zeigen, wie kooperativ die Schweiz bei der Rückführung gestohlener Vermögen angeblich sei. Zellweger, einflussreicher Vizepräsident des Uno-Menschenrechtsrates, versucht in Genf, das ramponierte Bild des hiesigen Finanzplatzes zu polieren.
Mit welchem Erfolg? Er ist gering. In der 21. Session des Rates im letzten März ist wiederum die Rückführung der iIlegalen Finanzströme (Illicit Financial Flows) ein heftig diskutiertes Traktandum gewesen. Eine neue ägyptische und von praktisch allen Staaten der Dritten Welt unterstützte Resolution wurde haushoch angenommen. Sie verlangt die Beschlagnahme der gestohlenen Gelder und ihre sofortige Überführung in einen Entwicklungsfonds zugunsten der geplünderten Länder.
Die Situation ist bizarr: Bundesrat und EDA wollen die Raubgelder so schnell wie möglich los werden. Doch Banken und Regimenter hoch bezahlter Anwälte verhindern das. Ein Beispiel: Tunesien. Im Januar 2011 stürzte ein todesmutiger Volksaufstand den seit 23 Jahren wütenden Diktator Zine Ben Ali. Innerhalb dreier Tage sperrte die damalige Bundesrätin Micheline Calmy-Rey viele Millionen Franken auf den Konten des Diktators und seiner Familie. Ben Ali floh, Aufständische fanden in seinem Palast die gesamte Raubgeld-Buchhaltung vor. Ben Alis Finanztransfers in die Schweiz sind durch diesen Fund bestens dokumentiert. Trotzdem sind bis heute nur einige Tausend Franken zurückgeflossen. Im Süden und Osten des Landes wütet der Hunger. Das Geld bleibt in der Schweiz.
KRIMINELLE BANKER. Denn in allen Phasen des Kampfes gegen den helvetischen Bankenbanditismus kommen die Gesetze den Banken und ihren Anwälten zu Hilfe. Mit unzähligen Rekursen sabotieren und verschleppen sie die Verfahren zur Beschlagnahme und Rückführung. Die unsägliche Finanzmarktaufsicht (Finma) hätte die Möglichkeit, wegen Geldwäsche oder wegen des Umgangs mit Geldern politisch exponierter Personen einzuschreiten. Sie tut nichts. Die Straflosigkeit krimineller Banker hat Tradition in der Schweiz. Was ist zu tun? Wir sind ein demokratisches Land. Die öffentliche Meinung zählt. Sie sollte mutigen Diplomaten wie Zellweger und Balzaretti helfen, den ramponierten Ruf unseres Landes wiederherzustellen.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Der schmale Grat der Hoffnung», ist im März 2017 auf deutsch erschienen.