Dank dem Super-GAU im japanischen Fukushima geht 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Dank dem deutschen Dieselskandal wird sich die Elektromobilität schneller durchsetzen als bisher vorhersehbar.
Diesel-Mutti: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb beim Dieselskandal bislang in Deckung – plant sie den Blitzausstieg wie einst bei den AKW? (Foto: dpa)
Fast alle von uns schauen fern. Neu auch zeitverschoben. Und in immer besserer Auflösung trotz immer grösser werdenden Bildschirmen. Selbst 55-Zoll-Monster kosten als Aktionsware keinen Wochenmindestlohn mehr. Zumindest nicht im Kanton Neuenburg, wo sie jetzt einen Mindestlohn von 20 Franken pro Stunde einführen.
Wer hätte sich das vor fünf Jahren vorstellen können? Dass der technische Fortschritt 2012 gekaufte Fernseher heute schon alt, klein und hässlich aussehen lässt.
Wir bekommen für gleich viel Geld viel mehr Glotze. Ist das ein Fortschritt? Ein bisschen schon. Wie wird diese Steigerung der Produktivität volkswirtschaftlich erfasst? Gibt es überhaupt einen nennenswerten Fortschritt der Produktivität?
DIESELSKANDAL. Unterschiedliche Positionen stehen im Raum. Für einige ist die Zeit der grossen Produktivitätsfortschritte vorbei. Für andere sind die heute verwendeten Statistiken nicht in der Lage, den technischen Fortschritt korrekt zu spiegeln, weil parallel dazu die Preise sinken. Wer hat recht? Wenn nicht alles täuscht, erleben wir das verdammt langsame Sterben des fossilen Fordismus. Viele von uns haben aus Sorge um die Umwelt ein halbwegs sparsames Dieselfahrzeug gekauft. Obwohl die Dieselpreise in der Schweiz (im Gegensatz zu Deutschland) nicht günstiger waren und sind als die Preise für Benzin. Jetzt wollen Städte wie etwa Stuttgart Dieselauto-Fahrende nächstens nicht mehr herumkurven lassen.
Zudem wütet in Deutschland der Dieselskandal: Die weltweit führenden deutschen Autokonzerne haben gemeinsam mit Bosch so getrickst, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte nur auf dem Rollband erreicht wurden und werden. Aufgedeckt haben diese Sauerei ausgerechnet die US- Umweltbehörden. Obwohl kein wirtschaftlich relevantes Land pro Kopf so viel CO2 ausstösst wie die USA.
Die laufenden Untersuchungen haben es aufgedeckt: Das schmutzige Herstellerkartell hat sich auch noch auf Kosten der Zulieferer und der Autokäufer bereichert.
DER GROSSE UMBAU. Jede Krise ist irgendwie auch eine Chance. Dank dem Super-GAU im japanischen Fukushima geht 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Dank Dieselgate wird sich die Elektromobilität schneller durchsetzen als bisher vorhersehbar.
Noch macht die Diesel-Mutti Merkel in Südtirol Wanderferien. Und fehlte folglich beim Dieselgipfel in Berlin. Die deutsche Bundeskanzlerin wartet ab, bis sie die nächste Kehrtwende machen kann. Vielleicht.
Der ökologische Umbau wird möglich, weil Wind- und Solarenergie dramatisch billiger werden. Der deutsche Energieriese EnBW will nächstens 300 Meter hohe Offshore- Windkraftwerke ohne Subventionen bauen. Die Preise für Solarzellen befinden sich weiter im freien Fall.
Ins Zentrum rücken zwei Fragen:
Erstens: Wo muss man Solar- und Windkraftwerke bauen, damit möglichst fast immer irgendwo genügend Strom für Europa produziert werden kann? Die erfreuliche Antwort: Anstatt nur Windräder in die Ost- und die Nordsee zu stellen, bietet sich das krisengeschüttelte Griechenland als idealer Standort an.
Zweitens: Wie kann man dezentral überschüssigen Strom halbwegs verlustarm speichern? Die neuen Ansätze: Man heizt mit überschüssigem Strom Steine, Beton oder Kalk auf über 500 Grad auf. Und produziert mit dieser gespeicherten Hitze bei Bedarf Strom und Wärme.
Alles etwas kompliziert und spannend zugleich.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/siliziumpreis
Wer Solarzellen herstellt, braucht in der Regel Silizium. Vor 2 Jahren kostete das Kilo Silizium 500 Franken. Jetzt nur mehr 50 Franken. Wer effiziente Batterien herstellt, braucht Lithium. Heute kostet das Kilo 3 Mal mehr als vor zwei Jahren. Viele glauben, dass hier ein vergleichbarer Preissturz bevorsteht. Warum? Es gibt auf der Welt genügend Sand zur Herstellung von Silizium und genügend Lithium zur Herstellung von Batterien. Wenn die Produktion schneller hochgefahren wird, als die Nachfrage steigt, fallen die Preise in den Keller.
- rebrand.ly/husson
Der linke französische Ökonom Michel Husson setzt sich auf der Homepage der ehemaligen Zeitschrift «La Brèche» mit der Frage der Produktivität auseinander. Schade, dass ihn niemand übersetzt!
- rebrand.ly/spiegel
Die Zeitschrift «Spiegel» hat in den letzten Jahren nachgelassen. Jetzt wird sie wieder etwas besser. Und macht aktuell Druck auf die Autoindustrie. In einem informativen Beitrag zeigt sie auf, wie man mit Ziegeln, Beton und Kalk aus Strom Wärme und aus Wärme Hitze machen kann.