Niemand will der mächtigen Autoindustrie wehtun. Anstatt dreckige Dieselautos umzurüsten, soll ein Software-Update genügen.
Gegen saubere Luft: Christoph Blocher und seine Jasmin Hutter zogen vor zwölf Jahren erfolglos gegen Partikelfilter für Baumaschinen ins Feld (work-Titelbild vom 5. November 2004, llustration: Igor Kravarik 2004)
Tauchen wir ab in die jüngere, fast vergessene Vergangenheit. Vor 12 Jahren bekämpfte die Baumaschinenverkäuferin und SVP-Nationalrätin Jasmin Hutter die Dieselfilterpflicht für Baumaschinen. Heute weiss fast niemand mehr, wie man den Namen Jasmin Hutter buchstabiert. Und auf den Baustellen sorgen Partikelfilter zuverlässig für bessere Luft und weniger Lungenkrebs.
Die Geschichte wiederholt sich. Nicht als Farce. Die Autokonzerne haben dreckige Dieselautos als saubere verkauft. Alle machten bei dem Schwindel mit. Auch die staatlichen Kontrollinstanzen. Auch die Hundertschaften von Journalistinnen und Journalisten, die Autos testen.
Die Blamage: Erst in Kalifornien flog der Betrug auf. Und in den USA musste Volkswagen finanziell bluten. Nicht so in Deutschland, nicht so in der Schweiz.
Wir brauchen endlich unabhängige staatliche Prüfstellen, die über genügend finanzielle Mittel verfügen. Und Konsumentenorganisationen, die vom Staat so viel Geld erhalten, damit sie nicht nur Birchermüesli, sondern auch Autoabgase selbständig kontrollieren können. Im Kampf gegen die organisierten Betrüger in Dienste des Kapitals.
ANGELA GEGEN ARNOLD. In den Jahren zwischen 2000 und 2015 stieg der Anteil der in der Schweiz verkehrenden Dieselautos von 4 auf 27 Prozent. Obwohl die Schweiz die Dieselautos – im Gegensatz zu Deutschland – nicht über tiefere Steuern für Dieseltreibstoffe gefördert hat.
Einst kämpfte die Physikerin Angela Merkel gegen die zu strengen kalifornischen Abgaswerte. Videos beweisen: Auf der Gegenseite trat der gebürtige Österreicher und Bodybuilder Arnold Schwarzenegger als Gouverneur von Kalifornien für mehr Umweltschutz ein.
In Berlin fand am 2. August 2017 der deutsche Dieselgipfel statt. Dieselmutti Angela Merkel machte in Südtirol Wanderferien, anstatt in Berlin Weichen zu stellen. Typisch Merkel: abwarten, bis der Kaffee kocht.
SCHLAFMÜTZEN. Eigentlich hätte der Gipfel von der Autoindustrie verlangen müssen, dass faktisch alle bisher produzierten Dieselautos verschrottet oder umgerüstet werden müssen. Genauso wie vor 12 Jahren die Baumaschinen in der Schweiz. Mit neuen Filtern, die als Prototypen auf dem Markt erhältlich sind. Stattdessen beschlossen alle anwesenden Parteien ein Software- Update, das wenig bis nichts bringt Dies, weil niemand von Seiten der Autoparteien – zu denen inzwischen auch die Grünen aus Baden-Württemberg zählen – der Autoindustrie wehtun wollte: Die Umrüstung aller betroffenen deutschen Dieselautos würde rund 12 Milliarden Franken kosten. Ein Software- Update 20 Mal weniger.
Während fast alle schlafen, werden in Deutschland jetzt ausgerechnet die Autohändler aktiv. Jürgen Karpinski, der Chef von 38 000 Autohändlern, bringt das Problem auf den Punkt: «Wenn die Hersteller ihrer Verantwortung als Verursacher der Dieselkrise gerecht werden wollen, sollten sie sich schleunigst um die Entwicklung wirksamer Nachrüstlösungen kümmern.»
Solch klare Worte wünschte man sich von Doris Leuthard, dem VCS, den Grünen, der SP und den Schweizer Autohändlern. Bisher vergeblich.