Neuerdings werden alle Opfer von Asbesterkrankungen entschädigt. work sagt, wie die Abfindungen berechnet werden. Und wie Sie Ihre Ansprüche geltend machen können.
Endlich Genugtuung: Der Entschädigungsfonds für Asbestopfer nimmt jetzt Gesuche an (Foto: Fotolia)
Asbest, die früher «Wunderfaser» genannte Substanz, ist seit 1989 verboten. Denn Asbest ist hochgefährlich und tödlich. Bereits bei einem einzigen Kontakt können sich winzige Asbestfasern in den Atemwegen verhaken. Dort lösen sie Lungen- oder Rippenfellkrebs aus. Dieser kann sehr plötzlich auftreten, manchmal bis zu 40 Jahre nach dem Kontakt mit Asbest. Heute noch erkranken jedes Jahr bis zu 120 Personen an Krankheiten, die auf Asbest zurückzuführen sind. Und dies alleine in der Schweiz.
TÖDLICHE «WUNDERFASER»
Fast ein Viertel der Betroffenen sind nicht an ihrem Arbeitsplatz mit Asbest in Kontakt gekommen. Sie erkrankten wegen verstaubter Arbeitskleider eines Familienmitglieds, des Aufenthalts in asbestverseuchten Gebäuden, des Spielens auf Baustellen oder der Nachbarschaft einer Asbestfabrik. So gefährlich ist die vermeintliche Wunderfaser. Es kann sogar sein, dass die Betroffenen nicht gemerkt haben, wo und wann sie Asbestfasern eingeatmet haben. Wenn jedoch jemand an einem Mesotheliom leidet – ein Krebs, der das Bauch- oder Brustfell befällt –, ist die Sache klar: Mesotheliome gehen fast immer auf einen Kontakt mit Asbest zurück.
VERJÄHRUNG DROHT
Das Problem: Nur wenn die Kranken einen Asbestkontakt in ihrem Arbeitsleben nachweisen können, zahlt die berufliche Unfallversicherung Suva. Die übrigen Opfer haben nur Anspruch auf Gelder der Krankenkasse, die viel tiefer sind. Eine nicht akzeptierbare Ungleichbehandlung von Asbestopfern.
Dazu kommt die Verjährung: Zehn Jahre nach der Ansteckung mit Asbest ist eine Klage gegen den Verursacher der Krankheit nicht mehr möglich. Seit Juli 2017 gibt es endlich eine klare Verbesserung: Der Ansteckungsgrund ist nicht mehr relevant für die Höhe der Entschädigung. Der «Runde Tisch Asbest», ein Zusammenschluss von Opfervereinen, Gewerkschaften, Wirtschaftsvertretern und Behörden, hat eine Stiftung und einen Entschädigungsfonds für Asbestopfer (EFA) gegründet. (www.stiftung-efa.ch) Ihr Hauptmerkmal ist eine unbürokratische und schnelle Hilfe. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil die Lebenserwartung nach dem Ausbruch der Krankheit nur ein paar Jahre beträgt. Die Bedingungen:
- Personen, die an einem Mesotheliom erkrankt sind.
- Die Krankheit ist nach 2006 ausgebrochen.
- Der Kontakt mit Asbest hat in der Schweiz stattgefunden.
Quelle: Stiftung EFA
30 ANTRÄGE LIEGEN VOR
Die Erkrankten müssen jedoch darauf verzichten, zusätzlich eine Haftungsklage vor Gericht einzureichen. Gemäss Christine Michel, Fachsekretärin für Gesundheitsschutz bei der Unia, besteht bei einer Klage immer die Gefahr, dass sich das Verfahren sehr lang hinzieht. Diese Zeit haben Asbestkranke jedoch in vielen Fällen nicht. Ist die Krankheit ausgebrochen, beträgt die Lebenserwartung oftmals nur noch wenige Jahre: «Bei der Entschädigung aus dem Fonds für Asbestopfer können Sie hingegen sicher sein, dass Sie rasch entschädigt werden.»
Ab Juli diesen Jahres werden nun die ersten Anfragen durch den Fonds bearbeitet. Bereits über 30 Anträge sind eingegangen Der Fonds zahlt für Asbestopfer, deren Mesotheliom nicht als Berufskrankheit anerkannt ist, folgende Entschädigungen:
- Ist die Krankheit zwischen 2006 und 2010 ausgebrochen, erhalten die Betroffenen, die an einem Mesotheliom erkrankt sind, eine pauschale Abfindung (Schmerzensgeld) in Höhe von 20’000 Franken.
- Ist die Krankheit zwischen 2011 und 2015 ausgebrochen, erhalten die Opfer eine Abfindung in Höhe von 100 800 Franken.
- Ist die Krankheit 2016 oder 2017 ausgebrochen, erhalten sie 118’560 Franken.
- Zudem erhalten die Personen, deren Erkrankung nach dem 1. Januar 2012 ausgebrochen ist, bis zur Erreichung des ordentlichen Pensionierungsalters einen Erwerbsausfallsersatz. Dieser beträgt 80 Prozent des letzten erhaltenen Jahreslohnes und maximal 118’560 Franken. Für bereits Pensionierte beträgt er 24’000 Franken jährlich.
Wenn das Mesotheliom hingegen als Berufskrankheit anerkannt ist, kommt die Erwerbsausfallsentschädigung von der Suva. Ist die Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt und hat die geschädigte Person bisher nur eine Teilabfindung erhalten, wird die Differenz vom Fonds ausgeglichen.
20 000 FRANKEN PRO KIND
Auch die Angehörigen von verstorbenen Asbestkranken können Entschädigungen beantragen. Die Höhe hängt von ihrem Alter ab. Sind sie 40jährig, so beträgt die Entschädigung 200’000 Franken, mit 65 sind es 75’000 Franken und mit 70 Jahren 50’000 Franken.
Care-Service
Zusätzlich zur finanziellen Entschädigung hat die Stiftung EFA auch eine psychologische Beratungsstelle gegründet. Dieser Care-Service steht allen unabhängig von der Art der Asbestkrankheit offen, ob Erkrankten, Angehörigen oder auch nur Personen, die befürchten, dass sie mit Asbest in Kontakt gekommen sein könnten. Sie wird in Zusammenarbeit mit den regionalen Lungenligen angeboten. rebrand.ly/careservice
Zusätzlich erhält jedes Kind, das beim Ausbruch der Krankheit seines Elternteils jünger als 25 Jahre alt war, 20’000 Franken.
Wie Christine Michel sagt, werden die Gesuche individuell abgeklärt: «Wer an einem Mesotheliom erkrankt ist, sollte auf jeden Fall einen Antrag stellen.» Auch andere asbestbedingte Krankheiten können im Härtefall zu einer Entschädigung führen. Bei der Stiftung EFA, in der die Gewerkschaften vertreten sind, finden die Betroffenen Rat, Hilfe und auch psychologische Unterstützung (siehe Care-Service).
Ein Informationsflyer in den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch, Albanisch und Portugiesisch liegt in den Unia-Sekretariaten auf. Wenn Sie Informationen zum Fonds oder Unterstützung beim Ausfüllen des Gesuchsformulars (siehe unten) benötigen, können Sie sich an das zuständige Unia-Sekretariat in Ihrer Region wenden.
EntschädigungsfondsSo stellen Sie das Gesuch
Die Stiftung EFA (Entschädigungsfonds für Asbestopfer) ist Ihre Ansprechpartnerin, falls Sie oder Ihre Angehörigen an einem Mesotheliom erkrankt sind.
Ein Gesuch für finanzielle Unterstützung können folgende Personen stellen:
- Mesotheliom-Kranke, die sich in der Schweiz über Asbest angesteckt haben.
- Ihre Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner.
- Konkubinatspartner, mit denen die Erkrankten mindestens die letzten fünf Jahre vor ihrem Tod eine Lebensgemeinschaft führten.
- Die Kinder von Mesotheliom-Opfern.
- Eine Person oder eine Institution, die von den Erkrankten eine Vollmacht erhalten hat.
Welche Unterlagen brauchen Sie?
- Das Gesuchsformular, vollständig ausgefüllt und unterschrieben.
- Das Familienbüchlein.
- Die Akten der obligatorischen Unfallversicherung.
- Falls die Person verstorben ist: ein amtliches Erbenverzeichnis.
Bei der Stiftung EFA können Sie zwei verschiedene Checklisten herunterladen, um sicherzugehen, dass Sie alle Unterlagen zusammenhaben. Eine, wenn Sie beruflich an einem Mesotheliom erkrankt sind, und eine, wenn Sie in einem anderen Zusammenhang erkrankt sind.
Checklisten und Gesuchsformular finden Sie unter www.stiftung-efa.ch.
Für alle Fragen bezüglich Entschädigungen und Care-Service können Sie sich an folgende Nummer wenden: +41 41 418 89 79.
Hallo , ich bin Opfer einer anerkannten Berufskrankheit ( Asbestose) . Hatte 2018 einen Tumor an der Lunge welcher mit OP entfernt wurde und nun 2022 wieder wo mir bei der OP der gesamte rechte Lungenflügel entfernt wurde.
Meine Frage :Warum wird sowas nur in der Schweiz und nicht in Deutschland anerkannt.