Der Berner Regierungsrat will die Unternehmenssteuern senken und schnürt deshalb ein Sparprogramm. Mit verheerenden Auswirkungen für die Gartenbau-Lehrwerkstätte am Thunersee.
Unter Spardruck: Unia-Frau Katrin Morina und Schuldirektorin Marianna Serena (rechts) kämpfen für den Erhalt von 100 Arbeitsplätzen, die Hälfte davon Lehrstellen. (Foto: Franziska Scheidegger)
Im Hünibach am Thunersee, hinter niedrigen grauen Mauern, liegt ein Paradies aus tausend Pflanzen. Palmen und Feigenbäume, Bananenstauden und Beerensträucher, Begonien und Frauenherzen. Sie wachsen und ranken sich in der Zufahrt zu den drei Gebäuden, in denen die Gartenbauschule Hünibach (GSH) untergebracht ist.
Seit mehr als achtzig Jahren wird hier gegärtnert, angebaut und ausgebildet. Doch jetzt droht der Schule das Aus. Denn: Der Kanton Bern will die Gelder streichen, mit denen er die Lehrwerkstätte bisher unterstützt hat. Zwei Millionen Franken sind das pro Jahr. Die Hälfte des gesamten Schulbudgets. Für Direktorin Marianna Serena ist klar: «Wenn das passiert, können wir hier zumachen.» 100 Arbeitsplätze, die Hälfte davon Lehrstellen, wären verloren.
HERZENSANGELEGENHEIT
Serena sitzt in ihrem Büro im Haupthaus der Schule. Ein Bau aus dem vorigen Jahrhundert, mit alten Holztreppen und dünnen Wänden. Es knarzt und rumpelt in den Gängen. Die Direktorin erzählt vom Schulbetrieb, den sie dieser Tage nicht nur leitet, sondern zu retten versucht. «Für mich ist das nicht nur ein Job, sondern eine Herzensangelegenheit. » Einerseits biete die Gartenbauschule Jugendlichen eine Chance, für die der Einstieg ins Berufsleben sonst schwierig wäre. Andererseits bilde sie ihre Lernenden im Bio- Gartenbau aus: «Als einzige Berufsschule in der ganzen Schweiz.»
Trotzdem will der Berner Regierungsrat die Subventionen streichen. Erfahren davon hat Hünibach Ende Juni, nur 48 Stunden vor der Öffentlichkeit. Grund für die geplante Sparmassnahme sind Steuerpläne des Kantons: Weil der bürgerlich dominierte Regierungsrat die Unternehmenssteuern senken will, muss ein 185 Millionen Franken schweres Sparpaket her. Dieses trifft vor allem den Sozial- und Bildungsbereich. Und dazu gehört eben auch Hünibach.
Für Umweltingenieurin Serena ist das unverständlich. «Der Kanton Bern hat letztes Jahr eine Bio-Offensive in der Landwirtschaft gestartet. Die einzige Bio-Schule im Gartenbau will er aber schliessen.» Das sei widersprüchlich. Ausserdem bezweifle sie, dass der Kanton mit der Streichung von Hünibach auch tatsächlich Geld sparen würde: «Wer keine Lehre machen kann, läuft nämlich Gefahr, in der Sozialhilfe zu landen.» Ohne die Gartenbauschule könne sich die Situation verschärfen.
INDIVIDUELLE FÄHIGKEITEN
Ausbildnerin Katrin Morina kommt gerade mit zwei Lernenden aus einem Kundengarten zurück. Jetzt steht sie im Hofeingang. Seit Anfang März ist sie für den Fachbereich Landschaftsbau angestellt. Einer jener Bereiche, die Hünibach erst seit kurzem anbietet. Morina sagt: «Bei uns stehen die Lernenden an erster Stelle.» Und zwar von morgens um 7 Uhr bis Feierabend: «Jeden Tag besprechen wir, was die Jugendlichen für Aufgaben bekommen. Wenn jemand noch nicht so geübt in einer Facharbeit ist – zum Beispiel im Plattenlegen –, dann schauen wir, dass er mehr Praxis bekommt.» Das sei die Stärke der Schule: die individuellen Fähigkeiten der Jugendlichen fördern zu können. Als Lehrwerkstätte muss Hünibach nicht an erster Stelle wirtschaftlich orientiert sein.
ÜBERALL ABSAGEN
Nicht für alle Jugendlichen, die in Hünibach sind, war die Gartenbauschule die erste Wahl. Es gibt immer wieder Lernende, die sich zuerst bei privaten Unternehmen bewarben, aber überall eine Absage erhielten. Das Argument des Kantons, dass es die Gartenbauschule in Hünibach nicht brauche, weil es im Gartenbau auch ohne die Lehrwerkstätte genügend Lehrstellen gebe, lassen Morina und Serena deshalb nicht gelten. Denn viele Betriebe bevorzugten Jugendliche mit einem Sekundarabschluss. Die Lehrmeister gingen davon aus, dass diese schnell lernen und keine Probleme machen.
In Hünibach denkt man anders. Wie stark sich die Gartenbauschule damit von rein kommerziellen Betrieben unterscheidet, weiss Landschaftsgärtnerin Morina aus langjähriger Erfahrung, «mal zu besseren, mal zu weniger guten Arbeitsbedingungen », wie sie sagt. Das liege auch daran, dass es im Kanton Bern keinen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für den Gartenbau gebe. Noch nicht. Als Unia-Mitglied arbeitet Morina bereits seit längerer Zeit aktiv daran mit, das zu ändern. Gartenbau sei harte körperliche Arbeit. Vergleichbar mit dem Bau. Deshalb müssten auch die Löhne beider Branchen vergleichbar gut sein.
Mit den Arbeitsbedingungen in Hünibach ist Morina ganz zufrieden. Den grossen Staudengarten der Schule nennt sie ein kleines Paradies. Und dieses möchte sie noch lange geniessen.
Noch gibt es Hoffnung
Das kantonalbernische Parlament wird im November über die geplante Steuersenkung und das dazugehörige Sparpaket entscheiden. Inzwischen hat sich auch die lokale Politik in die Debatte «Gartenbauschule Hünibach» eingeschaltet. Die grüne Politikerin Andrea de Meuron hat zu Handen des Regierungsrats eine dringliche Motion eingereicht. Die Forderung: der Kanton soll mit der Gartenbauschule Gespräche über eine neue Leistungsvereinbarung aufnehmen.
15 000 UNTERSCHRIFTEN. Auch sonst erhält die Schule viel Solidarität: Eine Petition zur Erhaltung der Lehrwerkstätte haben bisher fast 15 000 Personen unterschrieben. Das gibt Hoffnung.