Andreas Rieger
In Grossbritannien stehen die Brexit-Politiker wie Esel am Berg. Vor über einem Jahr hat das Stimmvolk – aufgeputscht von falschen Versprechen – knapp den Austritt aus der EU beschlossen. Wie dies ohne grossen Schaden für die Briten gehen soll, darüber streiten sich seither die «Brexiter».
Die Wirtschaft will den freien Zugang zur EU für Waren, Kapital und Dienstleistungen. Sie droht sonst die Insel samt Arbeitsplätzen zu verlassen. Diese drei Freiheiten gibt die EU aber nur, wenn auch die vierte gilt: die Freiheit der Menschen aus der EU, in Grossbritannien zu arbeiten – und umgekehrt. «Kommt nicht in Frage», schreien die Brexiter. Ein fremdenpolizeiliches Kontrollsystem mit Tropfenzähler à la SVP will stattdessen der «Hard Brexit». Ein Punktesystem mit erleichtertem Zugang für Hochqualifizierte der «Soft Brexit». Vor kurzem kam jetzt auch der «Swiss Style» als Lösung ins Gespräch, also doch eine Art Personenfreizügigkeit. Der Hardliner Boris Johnson drohte gleich mit seinem Rücktritt als Aussenminister …
KONSEQUENTE EU. Für die EU bleibt die Personenfreizügigkeit ein Grundprinzip, das sie nicht fallenlassen will. Zwar rennen die Le Pens, Wilders und die SVP seit langem dagegen an. Aber bei den EU-Bürgern ist die Personenfreizügigkeit eine der beliebtesten Errungenschaften der EU. Denn sie ist das Recht der Bürger, sich frei zu bewegen. Wie gut das ist, erleben nun Millionen Menschen, die mit dem Brexit ganz konkret ihr Aufenthaltsrecht gefährdet sehen. EU-weit stehen in Umfragen über 70 Prozent der Bevölkerung hinter der Personenfreizügigkeit, vor allem dort, wo Jobs und Löhne vor Dumping geschützt sind.
70 Prozent der EU-Bürger sind für Personenfreizügigkeit.
«JOBS FIRST». Der britische Gewerkschaftsbund TUC hat sich mit der Frage auch schwergetan. Er forderte zuerst den freien Zugang zum europäischen Markt, damit die Jobs erhalten bleiben. Jetzt hat er an seinem Kongress ergänzt: «jobs first» – «rights first»: Die Rechte der Arbeitenden müssen ebenso Priorität haben. Die TUC wendet sich gegen alle diskriminierenden Regulierungen und Statute. Generalsekretärin Frances O’Grady sagt: «Mit ihnen werden die verschiedenen Nationalitäten gegeneinander ausgespielt, zum Nachteil aller.»
Andreas Rieger ist Unia-Sekretär und vertritt den SGB im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB).