Jean Ziegler
Ein Gespenst geht um im Berner Aussendepartement. Sein Name: Jean-Jacques Joris. Als Schweizer Botschafter bei der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah setzte er sich unermüdlich für die Respektierung der Menschenrechte der Palästinenserinnen und Palästinenser ein. Gefährlich ist diese Aufgabe nicht erst seit der Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt, mit der US-Präsident Donald Trump eine Brandbombe gezündet hat. An einem Herbsttag 2003 war Joris zum Ghetto von Gaza unterwegs. Kurz vor dem Grenzübergang stoppten israelische Warnschüsse seinen gepanzerten, mit der Schweizer Flagge versehenen Mercedes. Als der Wagen nicht schnell genug zurücksetzte, schossen die israelischen Soldaten ein zweites Mal. Eine Kugel zertrümmerte die Windschutzscheibe. Der «bedauerliche Unfall», wie es die israelische Regierung formulierte, traumatisierte Joris. Er verliess kurz darauf den diplomatischen Dienst.
Die aktive Kooperation des VBS mit der israelischen Kolonialmacht ist eine Schande für unser Land.
FRIEDENSPOLITIK. Seit Mittwoch, dem 29. November, steht die Schweizer Diplomatie wieder unter Beschuss aus Tel Aviv. Diesmal handelt es sich vorerst nur um verbales Sperrfeuer. Der Vorwurf: Die Schweiz verhandle mit Terroristen und verletze ihre Neutralität. Was war geschehen? Die frühere Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hatte beschlossen, dass unser Land aktiv den Friedensprozess in Palästina fördern solle. Heute sind drei hochkarätige Diplomaten mit dieser Mission betraut: Wolfgang Amadeus Brühlhart, der Chef der EDA-Abteilung Nordafrika und Mittlerer Osten, Julien Thöni, der Botschafter in Ramallah, und Roland Steininger, der Sondergesandte der Abteilung für menschliche Sicherheit. Mitte November traf Steininger in Gaza Stadt Ismail Haniyya, den Chef des politischen Büros der in Gaza vorherrschenden Hamas. Der Schweizer wollte versuchen, den Einigungsprozess zwischen der Hamas und der in Ramallah regierenden Fatah zu beschleunigen. Denn die Rückkehr zu palästinensischer Einheit ist eine Voraussetzung für Friedensgespräche mit der israelischen Regierung.
PARMELINS GESCHÄFTE. Steiningers Gespräch nahm der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman zum Anlass für die wütenden Beschimpfungen der Schweiz. Der Mann ist bis auf die Knochen verlogen. Denn während er über unser Land herzog, empfing er auf den Golanhöhen Beamte des Bundesamtes für Rüstung, die dort Tests der Drohne einer israelischen Rüstungsfirma beobachteten. Der Golan ist von Israel widerrechtlich annektiertes syrisches Staatsgebiet. Dort wurden nach einer Absprache zwischen Bundesrat Guy Parmelin vom Verteidigungsdepartement (VBS) und Lieberman die Drohnen getestet. Fazit: Der kluge und mutige Einsatz der Schweizer Diplomatinnen und Diplomaten für den Frieden im Mittleren Osten gereicht der Schweiz zur Ehre. Die aktive Militärkooperation der Betonköpfe Parmelins mit der israelischen Kolonialmacht ist eine Schande für unser Land.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Der schmale Grat der Hoffnung», ist im März 2017 auf deutsch erschienen.