Das wurde auch Zeit. Nach zwei Jahren Wartezeit tritt der Gesamtarbeitsvertrag für Tankstellenshops in Kraft. Ab Februar gelten Mindestlöhne und verbindliche Regeln.
HARTER KAMPF: Bei Coop Pronto und Co. gibts jetzt endlich Mindestlöhne! (Foto: Keystone)
Tankstellenverkäuferin Gaugaz ist begeistert: «Darauf mussten wir jetzt lange warten. Endlich ist der GAV da!» Diese Woche hat der Bundesrat beschlossen, den Gesamtarbeitsvertrag für Tankstellenshops auf den ersten Februar 2018 in Kraft zu setzen – mehr als zwei Jahre nachdem sich die Sozialpartner auf den Vertrag geeinigt hatten.
Damit gelten neu verbindliche Mindestlöhne: In den meisten Kantonen 4100 Franken für Beschäftigte mit dreijähriger Berufslehre und 3700 Franken für Ungelernte. In fünf Kantonen mit tieferem Lohnniveau, dar unter das Wallis und der Thurgau, sind die Löhne je hundert Franken tiefer.
DEHLIA GAUGAZ. Ein Erfolg auf ganzer Linie. (Foto: ZVG)
NUR NOCH FIXE ARBEITSZEITEN
Unia-Mitglied Gaugaz, die bei Coop Pronto arbeitet, freut sich am meisten über eine weitere Regelung im neuen Vertrag: Demnach haben alle, auch Teilzeitangestellte, Anrecht auf eine fixe wöchentliche Normalarbeitszeit. Ein grosser Fortschritt für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen, sagt die 29jährige Walliserin, die in Ramsei BE wohnt: «Bei uns haben alle variable Teilzeitverträge. » Bei ihr sind es 40 bis 60 Prozent. Das hat Folgen: «Ich weiss nie, wie viel Lohn ich bekomme. Manchmal sind es 500 Franken weniger als im Monat zuvor.»
Es sei auch schon vorgekommen, dass sie, entgegen ihrem Vertrag, 80 Prozent arbeiten musste – etwa wenn ein Kollege krank wurde. Sie hat einen achtjährigen Sohn. «Zum Glück habe ich liebe Nachbarn, die zu ihm schauen, wenn ich arbeite. Sonst würde das gar nicht gehen.» Für sie ist klar: Ein fixes Pensum, das ist ein riesiger Fortschritt.
AB 50 PROZENT IM MONATSLOHN
Noch besser: Alle mit einem Pensum von 50 Prozent und mehr werden automatisch im Monatslohn angestellt. «Das wäre grandios », sagt Dehlia Gaugaz. Zurzeit ist sie nur im Stundenlohn angestellt. Nimmt sie eine Woche Ferien, hat sie im nächsten Monat weniger Lohn. Das vermiest ihr die Ferien: «Ich denke immer daran, dass ich in der Woche nichts verdiene. Entspannend ist das nicht.» Zumal sie die Ferien eh meist zuhause verbringt, da sie sich eine Reise mit ihrem Sohn nicht leisten kann.
Natalie Imboden, Chefin Detailhandel bei der Unia, hat den Vertrag mitverhandelt. Laut ihr waren die fixen Arbeitszeiten und Monatslöhne ab 50 Prozent die grössten Streitpunkte neben den Mindestlöhnen. «Ich bin sehr froh, dass wir das erreicht haben», sagt Imboden. «Jetzt können die Beschäftigten Arbeit, Freizeit und Kinderbetreuung besser planen.»
TESSIN: KEIN MINDESTLOHN
Der neue Vertrag gilt flächendeckend für alle Tankstellenshops. Das ist historisch, freut sich Natalie Imboden: «Zum ersten Mal gibt es im Detailhandel einen gesamtschweizerischen GAV.»
Umso unverständlicher: Im Tessin gilt zwar nun auch der GAV für Tankstellenshops, nicht aber die Bestimmungen zum Mindestlohn. Der Bundesrat hat sich damit auf die Seite einiger Tessiner Arbeitgeber geschlagen, die aus dem Verband ausgeschert sind und weiterhin Dumpinglöhne zahlen wollen. Für Natalie Imboden ein Skandal: «Die Mindestlöhne haben wir mit den Arbeitgebern so verhandelt. Ausgerechnet der Wirtschaftsminister Johann Schneider- Ammann, der bei jeder Gelegenheit die Sozialpartnerschaft lobt, hat hier einen Kompromiss zwischen den Sozialpartnern ausgehöhlt.» Unia-Frau Natalie Imboden will jetzt möglichst bald mit den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen zusammensitzen und fürs Tessin einen neuen Mindestlohn aushandeln.