Bei den Zürcher Kantonsbehörden sieht der Kampf gegen Lohndumping so aus: Fall weitermelden, Deckel zu. Verantwortlich: SVP-Regierungsrat Markus Kägi.
UNISPITAL ZÜRICH: Polnische Büezer waren auf dieser Baustelle zu Dumpinglöhnen beschäftigt. (Foto: SRF / «SCHWEIZ AKTUELL», 1.12.2017)
Tatort Technikzentrale im Unispital Zürich. Vier polnische Arbeiter werden auf dieser Baustelle um den Lohn betrogen und merken es. Sie schalten die Unia ein. Heraus kam, wie Lohndumping heute funktioniert. Die Luzerner Sanitärfirma Schmid Amrhein AG hatte sich vom Kanton einen 3-Millionen-Auftrag ergattert und Arbeiten an eine polnische Firma aus Swiebodzice mit einer Briefkasten-Zweigstelle im zürcherischen Kollbrunn weitergegeben. Diese wirbt Büezer in Polen an und schleust sie dann in die Schweiz.
DOPPELTE VERTRÄGE
Auf den polnischen Verträgen ist ein Stundenlohn von 14,50 Euro vermerkt, auf den offiziellen Dokumenten allerdings 22 Franken. So sieht alles korrekt aus. Denn dieser Lohn entspricht dem Gesamtarbeitsvertrag Gebäudetechnik. Das Geld gab’s für die polnischen Kollegen zu Hause in Krakau bar auf die Hand – teils in Euro, teils auch in polnischen Złoty. Aber zu wenig, wie sie klagen. Unia-Expertin Christa Suter weiss: «Die Arbeitsrapporte und Lohnabrechnungen weisen viel weniger Stunden auf, als tatsächlich gearbeitet wurden.» Die Polen schufteten während sechs Tagen mindestens 8 bis 9 Stunden auf der Baustelle. Die Abrechnungen waren jeweils in Deutsch abgefasst. Die Büezer verstanden nicht, was sie unterschrieben. Bei der behördlichen Kontrolle redete sich die polnische Firma mit Abzügen für Unterkunft und Arbeitswege heraus. Der Fall liegt nun zur Prüfung bei der paritätischen Berufskommission (PBK).
IGNORANT: Zürcher Baudirektor und SVP-Regierungsrat Markus Kägi. (Foto: Keystone)
NOTORISCH PASSIV
Für die Zürcher Baudirektion unter SVP-Mann Markus Kägi war der Fall mit der Meldung an die PBK erledigt. «Wir haben unsere Verpflichtungen erfüllt», beteuerte ein Sprecher gegenüber Fernsehen SRF, das über den Fall berichtete. «Typisch», sagt Lorenz Keller, Co- Geschäftsleiter Unia Zürich- Schaffhausen. «Sie machen gegen Lohndumping nur das Nötigste.» Seit langem wirft die Gewerkschaft dem Kanton notorische Passivität vor.
Es geht aber auch anders. Das Stadtzürcher Hochbaudepartement unter André Odermatt (SP) weist fragwürdige Subunternehmen sofort von der Baustelle. Auch die erwähnte polnische Firma, die an einem Schulhausbau beschäftigt war. Seit 2016 gilt in den Werkverträgen der Stadt Zürich eine Anti-Dumping-Klausel: Ein Subunternehmen muss der PBK eine Bestätigung vorlegen, dass es die ortsüblichen Löhne einhält. Sub- Subunternehmen sind verboten. Und ein Erstunternehmen muss sich verpflichten, einen substantiellen Teil des Auftrags selber zu erledigen. Sonst droht eine Konventionalstrafe. Der Kanton Zürich könnte das sofort übernehmen. Wenn er wollte.
ZAHLEN OFFENLEGEN
Bald muss der Regierungsrat zur Dumpingaffäre am Unispital Stellung nehmen. Kantonsräte um Fabian Molina (SP) wollen wissen, wieso man die polnische Firma nicht sofort verjagt habe. Sie werden einen Vorstoss einreichen. Dieser soll klären, wie viele Fälle die Arbeitskontrollstelle Kanton Zürich jährlich findet. Diese Stelle kontrolliert im Auftrag der PBK das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe. Lorenz Keller von der Unia: «Wenn diese Zahlen auf dem Tisch liegen, können die Abwiegler nicht länger behaupten, es sei alles gar nicht so schlimm.»
SKANDAL ÜBER SKANDAL
Die Skandale der letzten Jahre sprechen Bände: Polen schufteten für 5 Euro pro Stunde beim Tiefbahnhof Löwenstrasse, Arbeiter waren beim Zara-Umbau an der Bahnhofstrasse für 900 Franken im Monat beschäftigt, ungarische Gipser wurden beim Luxushotel Atlantis mit Dumpinglöhnen abgefertigt, Eisenleger erhielten bei einem Genossenschaftsbau in Schwamendingen unkorrekte Löhne, auf dem Hunziker-Areal wurden Elektriker um Sozialversicherungsbeiträge betrogen. Für SVP-Regierungsrat Markus Kägi offenbar alles Einzelfälle.