Jean Ziegler
Diplomatie hat viel mit Zirkus zu tun. Ein Beispiel: Der Völkerrechtstag des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) vom 12. Dezember 2016 im Rathaus von Bern. Er stand unter dem schönen Titel: «Rückführung von Potentatengeldern: eine gemeinsame Verantwortung». Den Vorsitz hatte Bundesrat Didier Burkhalter, als Chef-Gaukler trat Roberto Balzaretti auf, der Direktor der EDA-Abteilung für Völkerrecht. Sie zelebrierten die «neue» Strategie des Bundesrates: Eine «vollständige, rasche Rückerstattung unrechtmässig erworbener ausländischer Vermögenswerte».
DAS TRAUMPAAR. 2011 wirkte im Bundeshaus ein Traumpaar, wie es in der Politik selten vorkommt. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey führte das Aussendepartement, Jurist Valentin Zellweger die Völkerrechtsabteilung. Im Januar stürzten durch Volksaufstand kurz hintereinander zwei der übelsten Diktatoren der arabischen Welt: Husni Mubarak in Kairo und Zine Ben Ali in Tunis. Dank aktiver Hilfe helvetischer Banken hatten sie riesige Vermögen in der Schweiz angehäuft. Calmy-Rey überzeugte den Bundesrat, Ben Alis Konten zu sperren. Mubarak und seinen Komplizen sperrten sie 752 Millionen Franken auf Schweizer Konten.
Den Bank-Moguln garantiert die Finma bei Reinvestition von Blutgeld absolute Straffreiheit.
Die neuen Regierungen in Tunis und Kairo verlangten die Rückführung der Beute. Ins bitterarme Tunesien sind jedoch so gut wie keine Gelder zurückgeflossen. Und was Ägypten anbelangt, hat Gaukler Balzaretti – an sich ein sympathischer, hochkompetenter Mensch – kürzlich die Sperre der Beute Mubaraks aufgehoben. Seine Begründung: Kairos Rechtshilfegesuch sei juristisch unvollständig, und der Bundesanwalt habe ein Strafverfahren wegen krimineller Geldwäscherei angeordnet und dieselben Gelder seinerseits gesperrt. Die Berner Scheinheiligkeit ist erstaunlich. Wenn Armeechef as-Sisi, der amtierende Diktator Ägyptens, dem EDA keine genügenden Dokumente liefert, wird er es auch beim Bundesanwalt nicht tun. Bald also wird auch dieser die Sperre aufheben.
BEISPIEL HAITI. Was hätte Balzaretti tun können? Es gibt ein Bundesgesetz, auch dieses vom Traumpaar Calmy-Rey und Zellweger, das im Falle einer gescheiterten Rechtshilfe der Schweiz erlaubt, kriminelle Vermögen einzuziehen und diese dann mit Projekten der Entwicklungshilfe direkt dem geschädigten Volk zukommen zu lassen. Dieses Gesetz wurde zum Beispiel in Haiti angewandt mit den gestohlenen Millionen des Tyrannen Jean-Claude Duvalier.
Die fahrlässige Annahme von Potentatengeldern durch Schweizer Banken ist strafrechtlich verboten. Jedoch: Die Finma garantiert den Bank-Moguln bei Reinvestition von Blutgeld absolute Straffreiheit. Das müssen wir ändern.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Der schmale Grat der Hoffnung», ist im März 2017 auf deutsch erschienen.