REDET KLARTEXT: Nico Lutz, Bauchef Unia. (Foto: Manu Friedrich)
«Eine geballte Ladung SVP trat da an, um der Schweiz die ‹schlimmen› Auswirkungen des freien Personenverkehrs zu erklären. Fraktionschef Thomas Aeschi, Ems-Chemie-Chefin und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher und ihr Kollege aus der Holzbranche, Gewebeverbandspräsident Jean-François Rime. Das Resultat war einerseits hochpeinlich und andererseits bedenklich. Peinlich, weil die Teppichetage der SVP im Wirtschaftsunterricht ganz offensichtlich einen Fensterplatz hatte.
NICHT MIT KARL MARX. Die SVP-Elite behauptet, das ‹gewerkschaftliche Machtkartell› heble die ‹Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus›. Der Beweis dafür sei die steigende Anzahl Gesamtarbeitsverträge, so Aeschi-Blocher. Aha! Quizfrage: Und mit wem schliessen die Gewerkschaften diese Gesamtarbeitsverträge denn ab? Falsch geraten SVP, nicht mit Karl Marx. Sondern mit den Arbeitgeberverbänden.
Jetzt aber aufpassen, liebe SVP: Gesamtarbeitsverträge sind eine wirksame Form der Selbstregulierung der Branche. Wenn just die Partei, die sonst bei jeder Gelegenheit nach mehr Eigenverantwortung und weniger Staat ruft, jetzt die Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden angreift, kann ich mir das nur so zusammenreimen: Die SVP-Spitze hat am WEF in Davos wohl ein bisschen zu viel Donald inhaliert, denn der grobe Unfug wird noch gröber. Schuld an der verstärkten Zuwanderung seien die flankierenden Massnahmen und somit auch wieder die Gewerkschaften. Wieder ein Schuss in den Ofen: Arbeitnehmende ohne Schweizer Pass kommen in die Schweiz, weil sie von Schweizer Firmen einen Anstellungsvertrag oder einen Auftrag bekommen. Möglicherweise sogar zu Dumpinglöhnen. Vielleicht sollte Ideologin Martullo-Blocher mal bei Unternehmerin Martullo-Blocher nachfragen, wie das so ist in der real existierenden Wirtschaft.
Die SVP-Spitze hat in Davos wohl ein bisschen zu viel Donald inhaliert.
ZU VIELE NULLEN. Mit den Nullen ist es so eine Glückssache. Auch bei der SVP. Sie präsentierte viele davon zu den Finanzen der Gewerkschaften. Um zu ‹beweisen›, dass Unia & Co. von der Personenfreizügigkeit materiell profitierten. Doch leider können Aeschi-Rime nicht einmal zwischen Weiterbildungsleistungen, Rückerstattungen von Vollzugskostenbeiträgen an Arbeitnehmende und Abgeltungen für definierte Vollzugsaufgaben unterscheiden. Rühren Äpfel und Birnen und Zwetschgen wild durcheinander. Eigentlich könnte man da nur lachen. Aber der Anti-Gewerkschafts-Ritt der SVP ist auch bedenklich. Denn Blochers Partei fordert ‹einen Rückbau der flankierenden Massnahmen› zum Schutz der Löhne. Sie verlangt zudem ‹weniger Arbeitgeberkontrollen› und dass der Staat selbst bei wiederholten Missbräuchen zuschaue und kein Normalarbeitsverträge erlasse.
Mit anderen Worten, die SVP fordert mehr Lohnbschiss, mehr Lohndumping und mehr Möglichkeiten für Patrons mit krimineller Ader. Die flankierenden Massnahmen sind heute die einzigen Instrumente, die sicherstellen, dass in der Schweiz Schweizer Löhne gelten. Lohnkontrollen erfolgen notabene nicht nur im Auftrag der Gewerkschaften, sondern auch der Arbeitgeberverbände. Die SVP fordert also den Schutz von Lohndrückerfirmen und den Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen, weil viele korrekte Firmen nicht mehr gegen die Dumpingkonkurrenz bestehen könnten. Und wieder eine Quizfrage: Wer wären die Leidtragenden in diesem neuen SVP-Reich? Falsch gedacht, liebe SVP, nicht die Unia. Sondern die Volkswirtschaft, die seriösen Firmen, die Arbeitnehmenden, wir alle.»