Die Einkommen und vor allem die Vermögen sind in der Schweiz ungleicher verteilt als in anderen Ländern. Das wäre halb so schlimm, könnte man sagen, wenn alle im Verlaufe ihres Lebens die gleiche Chance hätten, auch einmal zu den Reicheren zu gehören. Oder wenn wenigstens in der nächsten Generation alle die gleichen Chancen hätten aufzusteigen.
(Quelle: Föllmi/Martinez, die Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Schweiz, UBS Center Public Paper Nr. 6)
VERERBTE CHANCEN. In ihrer Studie zeigen Reto Föllmi und Isabel Martinez (sie ist seit 2017 Ökonomin beim SGB), dass wir davon weit entfernt sind. Bei der sogenannten sozialen Mobilität schneidet die Schweiz schlecht ab. Wenn die Eltern zu den untersten 10 oder 20 Prozent in der Einkommenspyramide gehören, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch ihre Kinder dort verharren. Das gleiche gilt auch für das reichste Prozent der Bevölkerung, das seine soziale Stellung meist auf die Kinder vererbt. In den USA ist die Chance auf einen Aufstieg ähnlich gering wie in der Schweiz. Dies hat vor allem mit den ungleichen Bildungschancen zu tun. Kinder von Eltern aus der 1. Bildungsstufe (ohne Berufsbildung) haben in der Schweiz nur eine geringe Chance, eine tertiäre Bildung (mit Hochschulabschluss) zu absolvieren und damit auch in eine hohe Einkommensstufe zu gelangen. Andere europäische Länder, insbesondere die nordischen, schneiden hier weit besser ab. In der Schweiz verharren 33 Prozent der Kinder von Eltern der 1. Bildungsstufe in dieser Stufe, in Schweden nur 14 Prozent. Nur 17 Prozent können in der Schweiz von dort in die dritte Stufe aufsteigen, in Schweden sind es 29 Prozent.
Immerhin die Hälfte der Kinder kann hierzulande eine Berufslehre machen, die ja auch einen gewissen Aufstieg in der Lohnskala bedeutet.
Die Ungleichheit bei den Bildungschancen hat in der Schweiz auch mit dem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund zu tun. Ihre soziale und vor allem auch sprachliche Benachteiligung könnte durch eine bessere und bezahlbare Kinderbetreuung, Tagesschulen und Förderprogramme vermieden werden. Aber hier fehlt oft der politische Wille.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.