Andreas Rieger
Direkte Demokratie gibt es in vielen Ländern Europas nur tröpfchenweise. Volksinitiativen sind da oft nicht mehr als Petitionen. Und Referenden ein Propagandamanöver der Regierung. Drei Beispiele:
Ungarn: Ministerpräsident Viktor Orbán führte kürzlich eine «Volksbefragung» zum sogenannten Soros-Plan durch. Georg Soros ist ein US-Multimillionär mit ungarischen Wurzeln. 2015 hatte er Vorschläge zu einer europäischen Lösung der Flüchtlingskrise gemacht.Seither schiesst der rechtsradikale Orbán aus vollen Rohren auf Soros. Dieser habe einen geheimen Plan, der zur Zerstörung Ungarns führe. Die «Volksbefragung» war also eine Fake-Vorlage. Die fortschrittliche Opposition in Ungarn boykottierte sie.
Beim Brexit ging der Schuss nach hinten los.
Grossbritannien: Eigentlich wollte die konservative britische Regierung von David Cameron 2015 nur ihre Parteigegner schwächen – als dieser das Brexit-Referendum lancierte. Doch der Schuss ging hinten raus: Jetzt ist Grossbritannien nicht mehr in der EU.
Niederlande: Erst vor drei Jahren hat die niederländische Regierung konsultative Referenden gegen Parlamentsbeschlüsse eingeführt. Als erste nutzten es EU-Gegner für ihre Sache. Das passt der Regierung nicht. Sie schafft die Volksabstimmung gleich wieder ab. Statt im Umgang mit Referenden klüger zu werden, schüttet sie das Kind gleich mit dem Bade aus. Referendum gegen diesen Entscheid nicht möglich!
Auf EU-Ebene gibt es die Europäische Bürgerinitiative (EBI). Mit ihr können die EU-Behörden verpflichtet werden, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten. Für eine solche Bürgerinitiative muss man auf hürdenreichem Weg eine Million Unterschriften sammeln. Geschafft haben dies bisher nur vier Initiativen: Die erste forderte das «Recht auf Wasser» (work berichtete). Die jüngste wandte sich gegen giftige Nahrungszusätze. Die Wirkung ist beschränkt, eine Volksabstimmung gibt es nicht. Immerhin baut die EU nun Hürden bei der Unterschriftensammlung ab. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.