Jetzt kommen Decken aus Brettsperrholz statt aus Brettschichtholz. Sie bieten statisch grosse Vorteile. Ein Thuner Unternehmen will damit den Markt erobern.
HOCH STAPELN MIT HOLZ: Die neu entwickelten Bretter sind so belastbar wie Beton und könnten deshalb auch beim Bau von Wolkenkratzern verwendet werden. (Foto: TS 3)
Der Holzbau hatte lange Zeit einen schlechten Namen. Dabei sind Häuser aus Holz extrem langlebig.
Der Walliser Kardinal Matthäus Schiner (1456–1522) hätte es Anfang des 16. Jahrhunderts in Rom fast zum Papst gebracht. Schiner hetzte die Schweizer SöIdner auf dem Schlachtfeld von Marignano in den Tod. Im Kampf gegen die waffentechnisch überlegenen Franzosen. Der Kardinal stammte aus der Gommer Gemeinde Mühlebach VS. Im Dorfkern stehen dort Holzhäuser, die 200 Jahre älter sind als die Gebeine dieses auch nicht mehr so taufrischen Kardinals, die immer noch vermisst werden.
Dafür macht der Holzbau in der Schweiz wieder Fortschritte. Neue Baunormen erlauben heute den Bau von mehrstöckigen Gebäuden aus Holz. Selbst Bauriese Implenia steigt in das Geschäft mit dem Holzbau ein. Schlicht und einfach, weil sich mit Holz schneller und präziser bauen lässt als mit Beton. Und dies bereits zu vergleichbaren Kosten.
NUTZUNGSFLEXIBEL. Das Thuner Unternehmen TS 3 hat eine neue Variante des Holzbaus entwickelt, die jetzt den Markt erobern will. Es verwendet für die Decken nicht Brettschichtholz, sondern Brettsperrholz. Das hat statisch grosse Vorteile, weil die einzelnen Schichten quer gegeneinander verleimt werden. Brettsperrholz wird in Europa zu 80 Prozent in Österreich produziert. Schweizer Produzenten sind noch zu klein und deshalb zu teuer. Warum eigentlich?
Brettsperrholzelemente können in Grössen von bis zu 3,5 × 16 Metern produziert werden. Die einzelnen Elemente werden mittels Industrieklebern für eine halbe Ewigkeit zu einer Decke zusammengeleimt, die vergleichbar stabil ist wie eine Betondecke. Deshalb reicht es aus, wenn einzelne runde oder eckige Säulen die tragende Struktur eines Thuner TS 3-Holzbaues bilden.
Der zentrale Vorteil: Der Holzbau wird künftig so flexibel sein wie der Betonbau, wenn sich dieses System bewährt. Schlicht und einfach deshalb, weil die Zwischenwände nicht mehr tragend sein müssen. Damit sind Gebäude nutzungsflexibel. Das ist ein grosser Vorteil, wenn man etwa aus Büros Wohnungen machen will – oder umgekehrt.
HENKEL-LEIM. Beton ist fünfmal schwerer als Holz. Deshalb macht beim Holzbau der Schallschutz und vorab der Trittschallschutz etwas Probleme. Implenia glaubt das Problem nun bei ihrer sieben Stockwerke hohen Quartierüberbauung Sue & Till in Winterthur mit einer elastischen Splittschüttung gelöst zu haben.
Kritikerinnen und Kritiker werden die Nase rümpfen wegen des Leims der Marke Henkel, der die einzelnen Platten verbindet. Obwohl die neuen Klebestoffe formaldehydfrei sind.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/Romreise
Filmautor Roland Huber war in jungen Jahren angehender Bildhauer und Mitglied der Partei der Arbeit (PdA). Während 35 Jahren drehte Huber schöne Dokumentarfilme für das Schweizer Fernsehen. 2015 begleitete er die Anhänger von Kardinal Schiner durch Rom – bei der Suche nach dessen Knochen.
- rebrand.ly/muehlebach
Seit einiger Zeit kann man das Alter von Holzhäusern mittels Dendro-Analysen auf das Jahr genau bestimmen. Das älteste Holzhaus im Dorfkern von Mühlebach VS stammt aus dem Jahr 1318.
- rebrand.ly/henkel
Der deutsche Leimlieferant Henkel macht pro Jahr 25 Milliarden Franken Umsatz. Der Verwaltungsrat wird von einer Frau präsidiert. Frauen machen den Kapitalismus leider auch nicht sozialer. Trotzdem sind mehr Frauen in den Verwaltungsräten sinnvoll und notwendig.
- rebrand.ly/baumeister
Für die Thuner Entwickler von TS 3 gilt: «Liebe Baumeister, bauen wie mit Stahlbeton, nur ohne Dreck und Wasser.» Die Bauarbeiter sind leider keine Ansprechpartner. Dabei erleichtert der Holzbau gerade ihnen das Leben. Vorab den Eisenlegern mit ihren kaputten Rücken.