Kantonsparlament fordert Lohnkontrollen und Bussen:
Waadtland übernimmt Pionierrolle bei Lohngleichheit

Lohngleichheit: Im Kanton Waadt sollen neu Lohnkontrollen und Bussen auch in Privatfirmen möglich werden.

ERFOLGREICHER VORSTOSS. Das Kantonsparlament hat Carine Carvalhos Forderung nach Lohnkontrollen angenommen. (Foto: ZVG)

Was der Ständerat zurückwies, hat das Kantonsparlament der Waadt jetzt ­gutgeheissen: Lohnkontrollen in Privatfirmen und allfällige Bussen für Lohndiskriminierung. Das fordert eine Standesinitiative, die die Lausanner ­Soziologin Carine Carvalho (SP) zusammen mit Léonore Porchet (Grüne) und Jean-Michel Dolivo (Ensemble à Gauche) eingereicht hat. Das Waadtländer Kantons­parlament hat sie mit 73 zu 68 Stimmen angenommen.

VORWÄRTS ZUR LOHNGLEICHHEIT. Im Waadt ist ein wichtiger Schritt gemacht. (Montage: work)

work: Der Kanton Waadt will mit der Lohngleichheit endlich Ernst ­machen. Ist er einfach frauenfreund­licher als alle anderen Kantone?
Carine Carvalho: Der Kanton Waadt hat bei den Frauenrechten schon immer eine Vorreiterrolle gespielt. Er war auch der erste Kanton, in dem die Frauen 1959 wählen konnten. Und im letzten Jahr hat er seinen Gleichstellungsartikel angepasst. Bei öffentlichen Aufträgen ist er nun verpflichtet, Lohnkontrollen durchzuführen bei öffentlichen und privaten Unternehmen und Institutionen. Viele Politikerinnen und Politiker, insbesondere auch der Rechten, waren also bereits für das Thema sensibilisiert. Hilfreich ist sicher auch, dass in der Waadtländer Kantonsregierung sowohl die Frauen als auch die Linken in der Mehrheit sind.

Vor vier Wochen hat der Ständerat ein ähnliches Anliegen an die betreffende Kommission zurückgewiesen …
… und uns damit massiv enttäuscht. Diese Taktik war mit ein Grund, dass wir die Standesinitiative gemacht haben. Seit 1981 ist die Lohngleichheit in der Bundesverfassung verankert – 37 Jahre warten ist genug! Im Kanton Waadt sind die Frauen in den Tieflohnjobs mit 65 Prozent übervertreten. Der Unterschied zwischen den Einkommen von Männern und Frauen beträgt im Schnitt 12,4 Prozent, 40 Prozent der Lohnunterschiede sind nicht mit Ausbildung oder Erfahrung erklärbar. Die Selbstkontrollen der Firmen funk­tionieren nicht. Wir haben auch ­gesehen, dass bei Lohnklagen die ganze Last auf den Schultern der Frauen liegt: die investierte Zeit, der Stress und schliesslich auch die Kosten. Und es gab sehr wenig Prozesse: Von 2004 bis 2015 wurden schweizweit lediglich 190 Klagen von Frauen wegen Lohnungleichheit eingereicht. Eine grosse Mehrheit verlor den Prozess und viele darüber hinaus auch ihren Job.

«Wir waren vom Ständerat massiv enttäuscht.»

Was muss geschehen, damit die Lohngleichheit in der ganzen Schweiz umgesetzt wird?
Das gelingt nur, wenn Bund und Kantone Firmen kontrollieren und allenfalls büssen können. Aber Kontrollen und Sanktionen sind nicht genug. Die Lohnunterschiede sind nur Ausdruck einer viel grösseren Ungleichheit: Die sogenannt weiblichen Berufe sind häufig schlecht bezahlt. Nur wenige Frauen haben Führungspositionen, sie tragen nach wie vor die Hauptlast in der Kinderbetreuung und im Haushalt, und es gibt zu wenig Krippenplätze. Nur wenn wir diese Ungerechtigkeiten aus der Welt schaffen, werden wir auch die Lohnungleichheit überwinden.


Frauenrechte Kantonal und dann national

Bei der Lohngleichheit geht der Kanton Waadt voraus. Was kantonal beginnt, könnte auch national gelingen: wie einst beim ­Frauenstimmrecht.

VORREITER. Im Jahr 1959 hatten die Schweizer ­Männer erstmals die ­Chance, das Frauenstimmrecht auf ­nationaler ­Ebene einzuführen. Sie schickten die Vor­lage aber mit fast 70 Prozent Nein-Stimmen bachab. Nur Waadt, Neuenburg und Genf ­waren dafür. Diese drei Kantone nahmen die Sache darauf selbst an die Hand. Als erster Kanton führte die Waadt 1959 das kantonale und kommunale Frauenstimmrecht ein. Neuenburg und Genf folgten 1959 und 1960. 1966 kam Basel-Stadt als erster Deutschschweizer Kanton dazu. Erst am ­7. Februar 1971 folgte der Durchbruch des Frauenstimmrechts auf ­nationaler ­Ebene.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.