Die rechte Mehrheit im Kanton Zürich will das Wasser privatisieren
Achtung, Wasser-Diebe!

Berlin, Paris, Atlanta: ­Weltweit kaufen immer mehr Städte ihre Wasserwerke ­zurück. Weil sie heute ­gescheiter sind. Der Kanton Zürich will lieber dümmer sein und ­jetzt privatisieren.

ÜBERLEBENSWICHTIG. Konzerne reissen sich unser Wasser unter den Nagel. Bald auch in Zürich? (Foto: Keystone)

Private Firmen sollen an der Wasserversorgung im Kanton Zürich mitverdienen dürfen. So hat es die bürgerliche Mehrheit im Kantonsparlament Mitte Februar entschieden. Gegen erbitterten Widerstand von linken und christlichen Parteien. SP-Mann Ruedi Lais sagt: Das neue Wassergesetz ­ermögliche es Firmen, «die prall gefüllten Tresore mancher Wasserversorgungen auszuplündern». Schreinermeister Daniel Sommer von der EVP ­ergänzt: «Die bürgerliche Ratsmehrheit schert sich einen feuchten Dreck um die Interessen der Öffentlichkeit.» Auch der (mehrheitlich rechte) Regierungsrat war gegen die Privatisierung. Vergeblich. Die Bürgerlichen drückten durch, dass sich private Investoren künftig bis zu einen Drittel der Wasserversorgung unter den Nagel reissen können.

Noch ist das Gesetz nicht definitiv verabschiedet. Wegen Differenzen bei anderen Artikeln geht es zurück an die Kommission, bevor das Kantons­parlament abschliessend entscheidet. Die Privatisierung steht aber nicht mehr zur Debatte. Die SP hat schon angekündigt: Bleibt die Privatisierung drin, ergreift sie das Referendum.

FALSCHE VERSPRECHEN

Um zu sehen, wie falsch eine Wasserprivatisierung ist, reicht ein Blick über die Grenzen. Weltweit haben schon über 200 Gemeinden ihre privatisierten Werke zurückgekauft oder wollen es tun.

Prominentes Beispiel: die deutsche Hauptstadt Berlin. Ende der 1990er Jahre stand sie kurz vor dem Konkurs. Da kam die regierende CDU-SPD-­Koalition auf die Idee, die Wasserversorgung zu ­verscherbeln. Noch bevor die Verkaufsverträge ­unterschrieben waren, budgetierte man mit den 1,7 Milliarden Euro aus dem Verkauf – und machte sich dadurch erpressbar. Was genau in den Verkaufsverträgen ausgehandelt worden war, blieb vorerst aber geheim.

Den Zuschlag erhielten drei Konzerne: die Allianz-Versicherung und der Energiegigant RWE, beide deutsch, sowie die französische Veolia, das grösste Wasserunternehmen der Welt (12 Milliarden Euro Umsatz in 67 Ländern). Zusammen bekamen die Firmen 49,9 Prozent der Berliner Wasserversorgung.

Für die Bevölkerung sollte alles besser werden, so das Versprechen der Stadtregierung. Der CDU-Politiker Frank Steffel prahlte: «Klar ist: Auch diese Privatisierung wird dafür sorgen, dass die Wasserpreise in Berlin in den nächsten Jahren sinken.»

IRRWEG PRIVATISIERUNG. Schon über 200 Gemeinden weltweit haben sich ihr Wasser zurückgeholt. (Quelle: Satoko Kishimoto, Emanuelle Lobina, Oliver Petitjean: Die Zukunft unseres Wassers in öffentlicher Hand. Grafik: TNT GRAPHICS, Lars Weiss)

PREIS-EXPLOSION

Passiert ist das Gegenteil. Nachdem die Preise fünf Jahre eingefroren waren, stiegen sie 2004 auf einen Schlag um 15 Prozent und in den folgenden Jahren noch weiter (siehe Interview nebenan). Die Bevölkerung wehrte sich. Eine Bürgerinitiative lancierte ein Referendum mit dem Ziel, die ­geheimen Verträge öffentlich zu machen. Das Resultat der Abstimmung war glasklar: 98 Prozent Ja.

Jetzt kam die ganze Wahrheit ans Licht. Die Verträge sahen garantierte Gewinne für das Land Berlin und die privaten Mitbesitzer vor. Jedes Jahr. Allein in den ersten zehn Jahren der Teilprivatisierung haben die Konzerne ziemlich genau eine Milliarde Euro am Berliner Wasser verdient.

Sogar die CDU musste jetzt den Fehler einsehen. Nach zähen Verhandlungen war es 2013 so weit: Die Stadt Berlin kaufte die Anteile zurück. Und die Preise sanken wieder.

WASSER IST WIE LUFT

Für Jacqueline Badran, SP-Nationalrätin und Ökonomin, ist das Privatisieren der Wasserversorgung «etwa die dümmste Idee, die man haben kann». Denn beim Wasser sei ein Wettbewerb rein physisch gar nicht möglich: «Ich kann nicht sieben Wasserleitungen von verschiedenen Anbietern in meine Wohnung führen und mich dann für den besten entscheiden.» Ein weiterer Grund: Wasser nutzen wir nicht freiwillig. Der Mensch braucht es zum Leben. Badran: «Wer am Verdursten ist, zahlt jeden Preis. Ein skrupelloser Anbieter muss nur das Angebot verknappen und kann so traumhafte Renditen erzielen.» Deshalb habe beim Wasser – gleich wie bei der Luft und beim Boden – die Profitlogik grundsätzlich nichts verloren: «Solche Güter gehören in die öffentliche Hand.»

Trinkwasser ist eine todsichere
Anlage für Profitgierige.

Badran hat eine Erklärung, warum die Rechten im Kanton Zürich gerade jetzt das Wasser privatisieren wollen. Durch die tiefen Zinsen sei Kapital im Überfluss vorhanden. Und Trinkwasser sei eine todsichere Anlage: «Läuft es gut, machen sie hohe Profite. Läuft es schlecht, muss der Staat einspringen. Denn das Wasser ist zu wichtig.»

BARCELONA UND STUTTGART KÄMPFEN

Noch hat es der Kanton Zürich in der Hand, ob seine Gemeinden das gleiche durchmachen sollen wie Berlin. Oder wie Bordeaux in Frankreich: Die Stadt entschied 2011, vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen, der dem Milliardenkonzern Suez das Trink- und Abwassersystem der Stadt überliess. Barcelona und Stuttgart kämpfen noch darum, ihre Versorgung wieder in die eigenen Hände zu bekommen. Bereits erfolgreich war die US-Millionenstadt Atlanta. 2003 löste sie ihren Vertrag mit Suez auf, nach nur drei Jahren. Suez hatte die Preise erhöht, Tausende Reparaturen verschlampt und ein Chaos bei den Rechnungen veranstaltet.

WAHLEN MIT WASSER GEWONNEN

Auf EU-Ebene machten die Gewerkschaften, allen voran die deutsche Verdi, 2013 den Wasserprivatisierern einen fetten Strich durch die Rechnung.

1,6 Millionen Menschen unterschrieben eine europäische Bürgerinitiative – es war das erste Mal, dass eine solche zustande kam. Kurz darauf kippte die EU-Kommission das Trinkwasser komplett aus der umstrittenen Richtlinie zur Privatisierung.

Auch Paris hat 2010 seine Wasserwerke zurückgekauft – nach 25 Jahren. Der Konservative Jacques Chirac, damals Bürgermeister und später Staatspräsident, hatte die Werke in den 80ern privatisiert. Für die linke Seite der Seine war danach die Firma Veolia zuständig, rechts Suez. Die Preise stiegen und stiegen – um mehr als das Doppelte. Der sozialistische Bürgermeisterkandidat Bertrand Delanoé machte Wahlkampf mit dem Versprechen, die Wasserbetriebe wieder zu verstaatlichen. Delanoé gewann die Wahl – und hielt Wort. Danach sank der Wasserpreis wieder.


Berliner Wasser­privatisierung: «Es war ein Riesenflop»

Vierzehn Jahre lang hatte Berlin seine Wasserversorgung teil­privatisiert. Dann kaufte die Stadt ihr Wasser zurück. Warum, erklärt Mathias Ladstätter. Er sass damals als Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat der Berliner Wasserbetriebe.

work: Berlin hat 1999 die Wasser­versorgung teilweise privatisiert. Was waren die Folgen?

Gewerkschafter Mathias Ladstätter. (Foto: ZVG)

Mathias Ladstätter: Die Privatisierung war ein riesiger Flop. Am schlimmsten war, dass der Betrieb viel weniger in den Unterhalt der Leitungen investierte. Es wurde nur noch dort ge­flickt, wo’s brannte. Das ergab einen riesigen Sanierungsstau, unter dem die Berliner Wasserbetriebe heute noch leiden.

Dazu kamen intransparente Geldflüsse zwischen ­Berlin, den Wasserbetrieben und den privaten Investoren. Es gab da viele Taschenspielertricks, etwa mit dem Verkauf von Immobilien oder Abschreibungskosten, die plötzlich viel höher ausfielen und auf die Kundschaft überwälzt wurden.

Wurde damals auch Personal ­abgebaut?
Ja, massiv. Zum Zeitpunkt der Teilprivatisierung arbeiteten etwa 7000 Menschen bei den Wasserbetrieben. Heute sind es noch knapp 4000. Allerdings wurde in den vierzehn Jahren auch viel automatisiert, so dass weniger Personal nötig war. Als Gewerkschaft konnten wir, zusammen mit der Personalvertretung, zudem durchsetzen, dass der Prozess fast ohne Kündigungen ablief.

2013 hat die Stadt Berlin den Betrieb zurückgekauft. Ist es jetzt besser?
Für die Bevölkerung auf jeden Fall. In den Jahren der Privatisierung stiegen die Wasserpreise um 30 Prozent an. Seit der Wiederverstaatlichung haben wir jetzt wieder Preise wie vor der Privatisierung. Und das Geld bleibt wieder in den Wasserbetrieben oder fliesst an die Stadt, aber nicht mehr an internationale Konzerne.

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