Nachtarbeit in neuem SBB-Tunnel gestoppt
Durchbruch für die Unia

Nachts arbeiten, nur wegen Termindrucks? Das geht nicht, sagt das Bundesverwaltungsgericht. Und gibt der Unia rundum recht.

WEGWEISENDES URTEIL. Nach dem Fall beim Genfer Bahntunnel stoppen Richter unnötige Nachtarbeit. (Foto: Ceva & Groupe 13.76 / O. Zimmermann & L. Fascini)

Seit 2011 wird bei Genf gebohrt. Die neue S-Bahn ins nahe französische Annemasse ist ein Megaprojekt. 1,8 Milliarden Franken werden dort verbaut. 16 Kilometer geht es meist unterirdisch vom Genfer Bahnhof Cornavin über den Stadtteil Eaux-Vives nach Annemasse (Projekt Ceva). Der «Léman-Express» soll mit fünf neuen Untergrundstationen die Pendlermetropole vom Autoverkehr entlasten. Auch Vorortszüge und TGV sollen dereinst freie Durchfahrt über die Grenze haben. Vor anderthalb Jahren lächelte SBB-Chef Andreas Meyer in die Kameras: Der Tunneldurchstich war geschafft. Doch inzwischen dürfte Meyer das Lächeln vergangen sein, denn Einsprachen verzögern das Prestigeprojekt.

MEGAPROJEKT: Direkte Zugverbindung zwischen der Schweiz und Frankreich. (Grafik: #tt)

UNIA LEGT BESCHWERDE EIN

Ursprünglich sollte es bereits 2017 fertiggestellt sein. Jetzt ist kaum vor Ende 2019 an eine Inbetriebnahme zu denken. Nichts hassen Manager mehr. Deshalb kamen sie auf die Idee mit der Nachtarbeit. In der aktuellen Etappe wird die feste Fahrbahn im Bahntunnel eingebaut. Die Baubüezer der Rhomberg Bahntechnik AG aus dem vorarlbergischen Bregenz sollten dort einfach rund um die Uhr chrampfen. Ununterbrochen von Montagmorgen bis Samstagabend. Dafür holte Rhomberg 2017 beim zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Bewilligung ein.

WEGWEISENDES URTEIL

Dies rief die Unia auf den Plan: Es könne ja wohl nicht sein, dass die Arbeiter nur deshalb rund um die Uhr arbeiten müssten, weil es wegen Einsprachen Verzögerungen gegeben habe. So argumentierte die Gewerkschaft. Der Genfer Bausekretär Yves Mugny fürchtete zudem, dass das mit der gesundheitsschädigenden Nachtarbeit Schule machen könnte. Die Unia legte daher Beschwerde ein. Laut Arbeitsgesetz ist Arbeit zwischen 23 und 6 Uhr verboten. Ausnahmen dürfen nur bei technisch oder wirtschaftlich unentbehrlichen Arbeiten bewilligt werden. Beim Rhomberg-Auftrag sei weder das eine noch das andere gegeben, argumentierte die Unia. Und hat jetzt recht ­bekommen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Bauarbeiter von Rhomberg nachts nicht ausrücken müssten. Die Richter in St. Gallen (1 × SVP, 2 × CVP) finden klare Worte: «Es liegt weder eine technische noch eine wirtschaftliche Unentbehrlichkeit vor. Die Bewilligung hat Bundesrecht verletzt.»

DURCHBRUCH: Arbeiter freuen sich über den Tunneldurchstich auf der Bahnstrecke zwischen Genf und Annemasse (Frankreich) im Oktober 2015. (Foto: Keystone / Symbolbild)

Dieser Klartext war nötig, weil Rhomberg zu tricksen begann, um die fehlende Unentbehrlichkeit zu begründen. Rhomberg argumentierte, man müsse die Fahrbahn legen können, um Material auf der Schiene in den Tunnel zu transportieren und dort zu lagern. Später sei dies nicht mehr möglich, sonst entstünden «unzumutbare Nachteile».

Darauf fielen die Richter aber nicht herein. Das Zeitfenster sei auch ohne Nachtarbeit einzuhalten, urteilten sie. Und zwar mit Verweis auf Rhomberg selbst. Hatte die Firma doch gar nie mit Nachtarbeit gerechnet. Das Gesuch kam erst, als das Bauprojekt im Verzug war. Mit anderen Worten: Blosser Termindruck kann keine schädliche Nachtarbeit rechtfertigen.

Blosser Termindruck rechtfertigt keine schädliche Nachtarbeit, sagt das Gericht.

Hocherfreut über den Richterspruch ist Unia-Bauchef Nico Lutz: «Das Urteil ist wegweisend. Die Gesundheit der Büezer darf nicht dem Terminplan geopfert werden.» Wobei Lutz betont, dass die Gewerkschaft bei wirklich dringlichen Arbeiten stets Hand zu Lösungen biete: «Dort, wo zum Beispiel eine Bahnlinie ganz unterbrochen werden oder eine Autobahnausfahrt geteert werden muss, stimmen auch wir Nachtarbeit zu.» Doch in letzter Zeit missachteten Unternehmen aus Schlamperei und Profitgründen vermehrt den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden (siehe unten).

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