Länger als bis 60 bei Hitze und Kälte arbeiten kommt nicht in Frage», sagen drei Bauarbeiter – und erklären, warum.
Christoph A. (53), Kranführer: «Bis 60, das halte ich durch, aber irgendwann geht das dann körperlich nicht mehr!» (Fotos: Stöh Grünig)
Eine Baustelle in einer Wohnüberbauung im Mittelland, es ist ein heisser Tag. Leise surrt der Kran über den Köpfen, ein Kübel baumelt am Haken. Polier Peter L. * (59) bückt sich über die Verschalung der Treppe, prüft, ob die gelben Bretter alle richtig verbaut sind. Derweil zieht Kranführer Christoph A. * (53) seine Last heran. Peter L. bückt sich nun über den Beton. Die Sonne brennt auf die Männer nieder, Schweiss läuft aus ihren Helmen. Christoph A. wischt sich übers Gesicht, sagt: «Bis 60, das halte ich durch, aber irgendwann geht das dann körperlich nicht mehr!» Kommt Markus N. * (36) dazu. Er arbeitet seit zwölf Jahren als Maurer, sagt, bei ihm fange es langsam an in den Knien: «Ich mache mir Gedanken, ob ich das körperlich bis ins Alter durchhalten kann.» Mit kräftigen Armen streicht er den Auftritt der Treppe glatt, Peter L. hilft ihm dabei. Der Polier wird im August 60 und geht in Frührente. Er erzählt, er arbeite nun 38 Jahre im gleichen Baugeschäft, einem mittelgrossen Familienbetrieb, wo er sich wohl fühle: «Mein Chef hat immer ein offenes Ohr für seine Arbeiter!» Obwohl er gerne arbeitet, freut sich Peter L. auf die Frührente mit 60. Die Bauarbeiter hatten sie sich erkämpft. Doch jetzt gefährden die Baumeister diese historische Errungenschaft (siehe Artikel «Frontalangriff auf Rente 60»).
Polier Peter L. seufzt, denn vor der Pensionierung muss er sich noch die rechte Schulter operieren lassen: «Abnützungserscheinungen, sagt der Arzt, aber immerhin kann ich aufhören, bevor ich völlig kaputt bin!»
Markus N. (36), Maurer: «Ich mache mir Gedanken, ob ich das körperlich bis ins Alter durchhalten kann.»
GEFÄHRLICHE BÜEZ
Der Bau gehört zu den härtesten und gefährlichsten Branchen. Die Suva-Statistik zeigt: Im Schnitt erleidet ein Bauarbeiter alle fünf Jahre einen Unfall. Auf 30 Büezer-Jahre macht das sechs Suva-pflichtige Unfälle. Eine ältere Studie zeigte: 40 Prozent der Bauarbeiter im Alter von 40 bis 65 Jahren werden invalid. 20 Prozent starben im Alter zwischen 40 und 65. Viele weitere wurden krank oder verunfallten, ohne dass sie eine IV-Rente erhielten. Nur rund 20 Prozent erreichten Rentenalter 65 bei guter Gesundheit.
Klaus Stadtmüller, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin, sagte im «Blick»: «Menschen auf dem Bau sind den ganzen Tag über der Witterung ausgesetzt. Im Sommer der Hitze und der UV-Strahlung, im Winter der Kälte. Das bringt eine starke Belastung von Muskulatur und Knochen mit sich.» Die häufigsten Schäden seien Rückenprobleme, Arthrose, Gelenkschmerzen, Abnutzung von Sehnen und Bändern.
Der Kranarm surrt zurück, Christoph A. steuert mit der Fernbedienung und erzählt, er habe Arthrose in den Händen: «Das tut nach der Arbeit saumässig weh!» Auch im Rücken spüre er die Abnützung, am Morgen habe er Mühe, die Socken anzuziehen und die Schuhe zu binden. Er streicht die Kelle ab und meint: «Auf dem Bau bist du mit 50 schon alt!» Und fügt an, gerade die Baumeister müssten an der Frühpensionierung mit 60 eigentlich interessiert sein, denn die Älteren auf dem Bau «sind oft krank, sie mögen nicht mehr».
Peter L. (59), Polier: «Ich muss die Schulter operieren. Abnützungserscheinungen, sagt der Arzt.»
«WIR MACHEN UNS SORGEN»
Immer mehr ältere Bauarbeiter arbeiten nur noch als Temporäre. Das heisst: nur eine Woche Kündigngsfrist. Neue Zahlen zeigen: Bei den über 50jährigen beträgt die Zunahme der Temporären zwischen 2015 und 2016 ganze 20 Prozent! Maurer Markus N. sagt dazu: «Dass viele Gutqualifizierte über 50 keine Arbeit mehr finden, weil sie körperliche Beschwerden haben, das fällt uns Jüngeren natürlich auch auf. Wir machen uns Sorgen, was dann mal mit uns ist.» Jetzt steht Peter L. auf, der Beton zieht nun an, der Polier sagt: «Schon als ich die Maurerstifti anfing, war das Baugewerbe ein krankes Gewerbe. Wenn ich nur dran denke, wie sie damals die Saisonniers ausgenützt haben!» Die oben hätten immer profitiert, wo sie nur konnten: «Jetzt müssen sie uns mal mit dem FAR etwas zurückgeben.»
* Namen der Redaktion bekannt.