Kaffeemaschinen-Flickerin Isabelle Küng: «Die Crema muss perfekt sein»

Obwohl sie heute Unternehmerin ist, hat Isabelle Küng viel gewerkschaftliches Verständnis. Nur wer zusammenstehe, erreiche etwas.

FAVORIT. Isabelle Küng (55) repariert am liebsten alte Espressomaschinen, für die es kaum noch Ersatzteile gibt. Ihre Lieblingsmaschine ist die Gaggia Classic. (Fotos: Michael Schoch)

Natürlich gibt es zuerst einen Espresso, aber nur für die Gäste. Isabelle Küng sagt, sie trinke gar nicht so viel Kaffee: «Es sind etwa fünf Tassen im Tag, am Wochenende etwas mehr. Am liebsten ist mir ein kurzer Café crème.» Wenn die 55jährige Zürcherin im Familiengeschäft Arco-Elektro Kolbenmaschinen repariert, dann muss sie nur in den seltensten Fällen an einer ­Probetasse nippen. Die Qualitätsprüfung macht sie von Auge, pro Reparatur fünf bis zehn Mal: «Ich benutze immer denselben Kaffee, unsere Hausmischung. Ich überprüfe, ob die Temperatur stimmt, die Crema perfekt ist» Die Crema ist der dichte, cremige und goldene Schaum, der sich auf perfektem ­Espresso bildet und das Aroma ausmacht.

Angefangen hat alles in einer kleinen Werkstatt im Hinterhof, die Isabelle Küngs Mann José Freimüller vor 16 Jahren übernahm. Isabelle Küng machte die Buchhaltung, behielt aber ihre Stelle als Bäckerin.

EINFACH MAL AUSPROBIEREN. Erst als die Arco-Elektro in ein Ladengeschäft an der Zürcher Kalkbreitestrasse wechselte und dort auch Maschinen und Kaffee verkaufte, nahm sie erstmals Schraubenzieher in die Hand. Probierte es einfach einmal. «Wenn nicht so viel zu tun war, habe ich die Maschinen auseinandergenommen.» Heute ist sie für die Kolbenmaschinen zuständig, ihr Sohn Joel unter anderem für die ECM- und Bezzera-Maschinen, ihr Mann macht die Vollautomaten.

Immer wieder kommt sie mit den Kundinnen und Kunden ins Gespräch, wenn sie aus der Werkstatt kommt und erklärt, was an der Maschine alles zu reparieren gewesen sei. «Positive Reaktionen!» betont Isabelle Küng. Manchmal wollten sie wissen, was sie für eine Ausbildung habe, und sagen, dass es speziell sei, was sie als Frau beruflich mache. Das kennt Küng bereits aus der Lehre. Als sie in einer Bäckerei die Lehre machte, war Bäcker noch ein Männerberuf. Sie sagt es auch so. Sie habe «Beck» gelernt. Nicht Bäckerin.

Ihre Lieblingsmaschine in der Werkstatt ist die Gaggia Classic. «Sie ist gut aufgebaut, macht sehr guten Kaffee für eine Haushaltsmaschine.» Aber nur die älteren Modelle. Vor ein paar Jahren hat Gaggia die Siebe verändert, seither sind die Maschinen weniger beliebt. Oder die Olympia, eine legendäre Schweizer Maschine, die auch heute noch gebaut wird, komplett von Hand. Isabelle Küng besitzt auch eine. «Sie liegt zerlegt in der Werkstatt. Ich bin noch nicht dazu gekommen, sie wieder zusammenzusetzen.» Olympias sind inzwischen auch bekannt dafür, dass sie für eine gewisse Zeit mit Asbest verbaut wurden. «Ein Kunde brachte mir eine Maschine, die er für 500 Franken von Asbest befreien liess» – eine Olympia kostet um die 3500 Franken, es lohnte sich. Jedenfalls versuchte sie danach überall, Auskunft zur ­Asbestentfernung zu erhalten. Und stiess überall auf Unwissen oder Ablehnung.

HERAUSFORDERND: Für manche Kaffeemaschinen gibt es keine Ersatzteile mehr. Dann repariert Isabelle Küng sie mit Teilchen von anderen Modellen und überlegt sich eine Anschlusslösung.

BOOM DANK KAPSELMASCHINEN. Isabelle Küng liebt die Herausforderung alter Maschinen, bei denen keine Teilchen mehr erhältlich sind. «Dann nutze ich Teilchen anderer Marken oder Modelle, die ich schon habe, und überlege mir eine Anschlusslösung.» Der Kapselmaschinen-Boom hat ihnen das Geschäft übrigens nicht vermiest, im Gegenteil, es habe eher die Nachfrage nach traditionellen Maschinen gestärkt. Die Firma hat so viele Aufträge, dass die Kunden schon mal sechs bis acht Wochen warten müssen.

GEWERKSCHAFTERIN. Für einige Maschinen gibt es kaum Ersatzteile auf dem Markt. Die Firmen verkaufen sie nicht mehr, bestehen darauf, dass die Maschinen nur in den eigenen Werkstätten repariert werden. Ihren Mann ärgert das. Aber sie sagt, sie verstehe es: «Die müssen auch ihre Arbeitsplätze sichern.» Auch als Unternehmerin ist Isabelle Küng Gewerkschafterin geblieben. Ihr Vater Peter Küng war mehr als 30 Jahre beim VHTL, einer Gewerkschaft, die später mit zur Unia fusionierte. Er hat sie politisch stark geprägt, zu Hause wurde immer wieder über die Verhandlungen diskutiert, in die er gerade involviert war. «Ich habe damals begriffen, dass es ein gemeinsames Engagement braucht, ein Zusammenstehen, um etwas zu erreichen.»

Isabelle Küng trat in der Lehre bei und engagierte sich in der Gewerkschaftsjugend. «Wir veranstalteten Konzerte und Diskussionen und haben auch einiges erreicht: beispielsweise, dass den Lehrlingen eine Woche Jugendurlaub zusteht, die sie für politisches, soziales oder sportliches Engagement nutzen können.» Es war die Zeit der Zürcher Bewegung, der Kämpfe ums autonome Jugendzentrum AJZ. Ein Thema, das damals sehr aktuell war, kommt ihr heute viel in den Sinn: «Dass wir Privilegierte mehr Verantwortung übernehmen müssen. Dass wir dafür sorgen müssen, dass weltweit gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen herrschen, dass niemand auf unsere Kosten ausgebeutet wird. Dann würde die Welt anders aussehen.»


Isabelle Küng Tüftlerin

Isabelle Küng (*1962) ist in einer Genossenschafts­siedlung in der Stadt Zürich aufgewachsen. Sie machte zuerst eine Lehre als Bäckerin-Konditorin bei Stocker und Hiestand. Nach einer kurzen Kinderpause stieg sie wieder ein bei Crazy Cakes und gestaltete dort ganze Landschaften auf Crèmetorten. Später arbeitete sie Teilzeit in einer traditionelleren Bäckerei. Erst nach und nach begann sie, Kaffeemaschinen zu flicken, seit 2007 ist sie nur noch bei Arco-Elektro. Sie arbeitet Teilzeit, etwa 50 Prozent. «Gut, es sind eher 80 Prozent», gibt sie zu.

1. MAI. Isabelle Küng ist seit ihrer Lehre Gewerkschaftsmitglied, war aktiv bei der Gewerkschafts­jugend. Heute ist sie bei der Unia. Zum Umzug am 1. Mai geht sie immer noch – vielleicht weniger regelmässig als früher. Isabelle Küng hat drei erwachsene Söhne. Der jüngste, Joel, arbeitet ebenfalls im Familien­betrieb, für den sie zusammen mit Ehemann José eine GmbH gegründet haben. Sie zahlen sich einen bescheidenen Lohn, der Gewinn geht immer wieder ins Geschäft.

1 Kommentare

  1. Hans Muttner 27. April 2020 um 14:01 Uhr

    Sehr geehrte Damen und Herren

    Sie haben uns einst eine Kaffeemaschine zu unserer Zufriedenheit repariert.

    Wäre es Ihnen auch möglich einen (Reparatur-) Blick auf unseren kleinen vor Jahren in Frankreich gekauften 2-Personen-Raclette-Ofen zu werfen? Er heizt still und leise plötzlich einfach nicht mehr.

    Stimmt Ihre Adresse an der Kalkbreitestrasse 57 noch?
    Welches sind Ihre Öffnungszeiten?

    Mit bestem Dank für Ihre auch telefonische Antwort und freundlichen Grüssen

    Hans Muttner, Lyrenweg 34, 8047 Zürich
    Telefon 044 492 6119 Handy 076 594 4496

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