Jean Ziegler
«Pardonnez-moi», «Verzeihen Sie» heisst die populäre Kultursendung des Westschweizer Fernsehens. Geleitet wird sie vom radikal unabhängigen, klugen Starjournalisten Darius Rochebin. Am Sonntag, dem 22. April, hatte er den ehemaligen Aussenminister Didier Burkhalter eingeladen.
BURKHALTERS RÜCKTRITT. Burkhalter ist ein hochkultivierter, eher introvertierter Mensch. Er schien überrumpelt, als ihn Rochebin plötzlich fragte: «Warum sind Sie eigentlich so abrupt aus dem Bundesrat ausgetreten?» Langes Schweigen. Dann die Antwort: «Ich hatte den Eindruck, dass die Meinung der Mehrheit meiner Kollegen nicht mehr mit meinen eigenen Werten übereinstimme. Wir waren uns über zentrale Werte nicht mehr einig.»
Ruag-Führung ist eine Schande
für die Schweiz.
Didier Burkhalter offenbarte einen Skandal, der unbeachtet von der Öffentlichkeit seit Monaten im Bundeshaus gärt. Es geht um die Strategie des Rüstungskonzerns Ruag. Der Konzern gehört zu hundert Prozent dem Bund, also uns, den Steuerzahlenden. Er wird geführt nach dem Prinzip der Profitmaximierung und um beinahe jeden menschlichen Preis. Vom neoliberalen Manager Urs Breitmeier, der jährlich ein Salär von 1,1 Millionen Franken bezieht. Das Geschäft mit dem Tod blüht. Zwischen 2016 und 2017 stieg der Umsatz der Ruag um 8 Prozent. Trotzdem ist das Bundesgesetz zum Waffenexport Breitmeier ein Dorn im Auge. Alle Exporte brauchen nämlich die Ermächtigung des Bundesrates. Und Lieferungen in Kriegsgebiete sind im Prinzip verboten. Doch die Ausfuhrverordnung bietet Spielraum für Interpretationen. Und die rechte Mehrheit des Bundesrates nutzt sie blind. So konnte die Ruag für Dutzende von Millionen Franken Kriegsmaterial in die Türkei, nach Saudiarabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate verkaufen. Die Türkei führt einen Vernichtungskrieg gegen kurdische Freiheitskämpfer in Nordsyrien. Soldaten aus Saudiarabien und den Emiraten führen Krieg in Jemen.
Didier Burkhalter sagte zu Darius Rochebin: «Ich glaube, man muss hier deutlich sein und solche Exporte ablehnen.»
TEILPRIVATISIERUNG. Breitmeier will das Gesetz zum Waffenexport vernichten. Sein Plan, den er dem Bundesrat bereits eingereicht hat, sieht die Restrukturierung der Ruag vor: Die Teile der Waffenschmiede, welche die Schweizer Armee beliefern, bleiben in Bundeshand. Das Auslandsgeschäft dagegen soll privatisiert werden. So fiele jegliche Bewilligungspflicht weg, und das Geschäft mit dem Tod könnte endlich uneingeschränkt florieren.
Die Ruag-Führung ist die Schande der Schweiz. In diesem Monat will die Mehrheit des Bundesrates den Breitmeier-Plan absegnen. Das muss die Öffentlichkeit mit aller Energie verhindern.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Der schmale Grat der Hoffnung», ist im März 2017 auf deutsch erschienen.