Renten runter, Boni und Dividenden rauf: das ist das Geschäftsmodell der Lebensversicherer. Ein faules Modell für die Versicherten.
EINGEPACKT, EINGESACKT: Managerboni rauf, Dividenden rauf – Renten runter. (Foto: Keystone)
In weniger als zehn Jahren hat die grösste private Rentenversicherin Swiss Life insgesamt 1,68 Milliarden Franken Gewinne aus dem BVG-Geschäft gezogen. Aus jenem Geld, das den versicherten Erwerbstätigen gehört. Der Gewerkschaftsbund hat diesem Rentenklau jetzt den Kampf angesagt. Präsident Paul Rechsteiner: «Das wahre Rentenproblem sind die immer schlechteren Renten der zweiten Säule.» Am Pranger stehen neben Swiss Life auch Allianz, Helvetia, Basler und Axa (früher: Winterthur). Denn sie verlangen in ihren Vollversicherungen für kleinere und mittlere Betriebe überrissene Risikoprämien und zahlen den Versicherten immer schlechtere Renten. Gleichzeitig streichen Manager, Aktionäre und Broker jedes Jahr Millionen ein.
RENTEN AUF TALFAHRT
Rolf Dörig (61) ist Swiss-Life-Präsident und tritt gerne als «Mr. Lebensversicherer» auf. Insider sagen, er ziehe die Fäden, wenn es um die zweite Säule gehe. Und der einst Freisinnige liebäugelt mit der SVP (siehe Artikel «Immer mehr nach rechts»). Dörigs Swiss Life dominiert mit 34 Prozent den Markt im sogenannten Kollektivleben-Geschäft. Über 460’000 Arbeitnehmende aus KMU sind bei der Swiss Life rentenversichert. Und ihre Rentenleistungen sind seit Jahren auf Talfahrt.
Hier die Fakten: Swiss Life hat den Umwandlungssatz in nur vier Jahren um mehr als 12 Prozent gesenkt. Von 5,84 Prozent im Jahr 2015 auf aktuell 5,4 Prozent. Bis 2020 wird er weiter auf 5,1 Prozent sinken. Dieser Satz bestimmt die Rentenhöhe. Die Versicherer können ihn im überobligatorischen Bereich frei festlegen. Für die Versicherten bedeutet dies einen happigen Rentenverlust.
- 2016 gab es bei der Swiss Life für 100’000 Franken Alterskapital noch eine Rente von 5840 Franken pro Jahr.
- 2020 gibt es nur noch 5100 Franken pro Jahr. = Rentenverlust pro Jahr: 740 Franken!
Noch bitterer ist das Geschäft mit der Verzinsung. Swiss Life verzinst das BVG-Alterskapital nur noch mit lumpigen 0,7 Prozent. Dagegen zahlen nicht gewinnorientierte Pensionskassen rund 2,2 Prozent. Also dreimal mehr.
Ein Beispiel zeigt, was das heisst: Ein 55jähriger Maler hat ein Alterskapital von 300’000 Franken angespart. Bei Swiss Life erhält er dafür 2100 Franken Zins pro Jahr. Bei einer nicht gewinnorientierten Pensionskasse werden ihm jedoch 6720 Franken aufs Konto überwiesen. In einem einzigen Jahr macht der Swiss-Life-versicherte Maler also 4620 Franken rückwärts.
Urban Hodel, Rentenspezialist der Gewerkschaften, sagt: «Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Lebensversicherer ist mittlerweile unterirdisch.» Er fordert, die Konzerne müssten endlich raus aus dem 800-Milliarden-Rentengeschäft. Wie die Axa. Sie hat im April angekündigt, aus der Renten-Vollversicherung auszusteigen.
DÖRIG AM DRÜCKER
Doch Swiss-Life-Dörig denkt nicht daran. Von Problemen will er nichts wissen. In der «Samstags-Rundschau» von Radio SRF sagte er kürzlich, die Vollversicherung müsse erhalten bleiben, «wegen der Wahlfreiheit».
Die Kritiker an den schlechten Leistungen der Swiss Life kanzelt er als «Rufschädiger» ab. Besonders gern stellt er die Gewerkschaften als Löli hin. Originalton Dörig: «Sie begreifen nicht, dass es auch Kapitalgeber braucht.» Damit will er die wachsende Kritik an der Abzockerei kontern.
Der operative Chef von Swiss Life, CEO Patrick Frost, garniert über 2 Millionen Franken im Jahr, und Dörig selber sackt für sein Verwaltungsratspräsidium mit sechs Sitzungen im Jahr 1,2 Millionen Franken ein. Er zählt damit zur Riege der bestbezahlten Verwaltungsratspräsidenten in der Schweiz.
VERFEHLTES GESCHÄFTSMODELL
In den acht Jahren, seit Rolf Dörig VR-Präsident ist, dürfte ein fast zweistelliger Millionenbetrag in seine Taschen geflossen sein. Und auch die Aktionäre kassieren kräftig ab. Seit 2010 jagten die Manager die Swiss-Life-Dividende in die Höhe: ums Fünffache auf 13 Franken und 50 Rappen pro Aktie. Da reiben sich besonders die beiden grössten Anteilseigner die Hände: der US-Finanzriese Black Rock sowie die UBS. Dörigs «Renten-in-Gewinne-Umwandlungsmaschine» ist nichts anderes als Shareholder-Value-Politik in Reinkultur.
Alle Lebensversicherer sind heute im schiefen Rank. Das Problem sind die tiefen Zinsen. Diese wirken sonst auf das Rentenkapital wie ein «dritter Beitragszahler». Aber jetzt sind sie am Boden, und das Rentenkapital wächst kaum mehr. Wenn nun die Umwandlungssätze noch andauernd gesenkt werden, resultieren immer kleinere Renten. Dagegen können die Pensionskassen Gelder besser anlegen. Vor allem müssen sie keine Gewinne an teure Manager und nimmersatte Finanzfonds abführen. Dörig & Co. stehen für ein verfehltes Geschäftsmodell, das nicht mehr trägt. Fachmann Hodel spricht Klartext: «Lebensversicherer haben im Geschäft mit unseren Renten nichts mehr zu suchen.» Auch der Gewerkschaftsbund fordert, die «Geldabflüsse» endlich zu stoppen (siehe Box).
Abzockerei im BVG: Milliarden weg Jahr für Jahr!
Die Gewerkschaften wollen die Abzockerei der Privatversicherer in der zweiten Säule stoppen.
Die Versicherten werden mit überhöhten Kosten für Risikoprämien, Broker und Vermögensverwalter geschröpft. Gewerkschaftsbundspräsident Paul Rechsteiner: «Dieser Geldabfluss muss eingedämmt werden.» Es geht um Riesensummen. Pro Jahr gehen fünf Milliarden Franken allein für die Administration und die Vermögensverwaltung drauf. Laut Berechnungen der Finanzaufsichtsbehörde Finma versickern alljährlich 232 Millionen Franken in Vertriebs- und Brokerkosten. Alles auf Kosten der Versicherten.
RIESENSUMME. Matthias Kuert, Rentenspezialist bei Travail Suisse, hat ausgerechnet, dass die Privatversicherer pro Jahr eine Milliarde Franken mehr Prämien einnehmen, als dass sie für die Risiken Todesfall und Invalidität aufwenden müssten. Kuert warnt: «Solange die Versicherer mit überhöhten Prämien viel Geld verdienen können, werden sie das tun.» Die Gewerkschaften fordern zudem eine Anpassung der unsinnigen staatlichen Gewinngarantie. Die Versicherungskonzerne müssen nur 90 Prozent der eingenommenen Gelder als Renten ausschütten. 10 Prozent dürfen sie für sich behalten. Alle Versuche, diese Quote wenigstens auf 5 Prozent zu senken, hat die Versicherungslobby bisher verhindert.
Der überobligatorische Teil wird sogar nur mit 0.125% verzinst. Gleichzeitig wir hier getrickst, d.h., wenn ein Vorbezug getätigt wird, vermindert sich dadurch der obligatorische Teil und der überobligatorische Teil steigt um die selbe Summe. So wird der vorher obligatorische Teil – 1% Verzinsung – auch nur noch mit 0,125% verzinst.
24.03.2020