Ein Sachwalter hat bei der Vögele-Nachfolgerin OVS jetzt das Sagen. In vier Monaten soll Schluss sein. Zuvor hatte die Firma das Gespräch mit der Unia verweigert.
DÜSTERE AUSSICHTEN: Die Modekette OVS steht vor dem Aus. Jetzt ist klar, dass die Firma Filialen schliessen wird. (Foto: Keystone)
Vor einem Jahr strotzte OVS-Chef Stefano Beraldo nur so vor Zuversicht. Nach der Übernahme der Charles-Vögele-Läden werde die OVS (bis 2009 «Oviesse»), Nummer eins im italienischen Modemarkt, hierzulande «zwischen 150 und 200» neue Stellen schaffen.
LIQUIDATION
Das ist Geschichte. Am 30. Mai gab OVS bekannt, dass der Schweizer Ableger in Nachlassstundung gehe. Zu gross war der finanzielle Engpass. Ein Verwalter muss nun schauen, wie die Firma ihre Gläubiger bezahlen kann. Man werde versuchen, den Betrieb in den nächsten vier Monaten aufrechtzuerhalten und die vorhandenen Kleider noch zu verkaufen. Dann werde die Firma voraussichtlich liquidiert.
OVS steckt schon seit langem in der Krise.
Schon vor dieser Hiobsbotschaft kriselte es bei OVS. Der Druck auf das Personal war enorm. Zum Beispiel auf Martha Kaiser*. In ihrer Filiale war sie für das Lager zuständig. Das bestand aus einer umgebauten Wohnung und war viel zu klein für die angelieferten Mengen. «Deshalb musste ich die ganze Zeit Kartons umschichten, um an die Kleider zu gelangen, die ich gerade brauchte.» Oder sie musste die Schachteln in die Lagergestelle heben, in bis zu zwei Meter Höhe. Ein Gabelstapler oder auch nur ein Rollwagen? Fehlanzeige.
Martha Kaiser wandte sich an die Unia. Und bekam die klare Auskunft: Das ist illegal. Denn die Kartons waren bis zu 19 Kilogramm schwer. Als Frau zwischen 35 und 50 Jahren darf sie aber höchstens 13 Kilo heben. Und auch das nur gelegentlich. So steht es in der Wegleitung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zum Arbeitsgesetz. Martha Kaiser machte ihren Chef auf diese Bestimmung aufmerksam. Doch der wollte von Verbesserungen nichts wissen.
COMPI KANN KEIN DEUTSCH
Der Alltag in der Filiale sei «chaotisch», sagt Kaiser. Arbeitspläne würden immer wieder kurzfristig geändert. Oder die Zentrale starte eine Aktion, stoppe sie aber am zweiten Tag bereits wieder. Oder das Computerprogramm, mit dem Waren verwaltet und Bestellungen ausgelöst werden: alles auf italienisch. Nur ganz oberflächlich sei ihr die Software erklärt worden. «Auch meine Filialleiterin war damit überfordert.» Deshalb musste sie nach Italien anrufen, wenn sie Fragen zum Programm hatte. Dort gab es, immerhin, eine deutschsprachige Ansprechperson. «Aber ich bekam die Antwort, man habe für solche Fragen keine Zeit.» Unterdessen hat Martha Kaiser bei OVS gekündigt. Schon seit mehreren Monaten gärt es unter den OVS-Beschäftigten. Zum Beispiel müssen sie mehr leisten, dürfen aber keine Überstunden mehr machen.
«Der Alltag in der OVS-
Filiale war chaotisch.»
Gut 175 OVS-Angestellte wollten dies nicht akzeptieren. Sie unterschrieben eine Petition der Unia und fordern einen besseren Schutz ihrer Gesundheit. Und dass die Firma mit der Unia Verhandlungen aufnehme, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Als Antwort kam kürzlich aus der OVS-Zentrale lediglich ein schroffes «No, grazie»: Man sehe «keine Notwendigkeit» für Verhandlungen. Auch gegenüber work wollte OVS zur Kritik und den Erlebnissen von Martha Kaiser keine Stellung nehmen.
Die Unia bleibt dran. Für Mediensprecherin Leena Schmitter ist klar: «Jetzt muss die Firma transparent informieren, was mit den Mitarbeitenden passieren wird.»
* Name geändert