Massenentlassung, Streik, Schlichtung: Hartnäckig haben sich die Journalistinnen und Journalisten der Nachrichtenagentur SDA gegen den Kahlschlag gewehrt. Mark Theiler (63) ist einer von ihnen.
JOURNALIST THEILER: «Der Widerstand hat sich gelohnt.» (Foto: Jasmine Frei)
«Am 9. Juli wäre mein erster Tag ohne Arbeit gewesen. Der Termin auf dem RAV war schon vereinbart. Doch dann kam der Anruf von der Redaktionskommission. Sie hat die Belegschaft im Schlichtungsverfahren vertreten. Ich erfuhr, dass alle acht Entlassenen über 60 wieder eingestellt werden. Und zwar zum gleichen Lohn, zum gleichen Pensum und am selben Arbeitsort wie vorher. Und: mit Kündigungsschutz. Bis zu unserer Pensionierung können wir Ü 60 aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr entlassen werden.
Zum Glück bin ich gesessen, als ich das gehört habe. Es hätte mich sonst wohl umgehauen. Eine riesige Überraschung!
ERSTAUNLICH. Ich hätte niemals damit gerechnet, wieder eingestellt zu werden. So, wie sich die SDA-Spitze gegenüber dem Personal verhalten hatte. Monatelang mauerten sie. Sie wollten den Kahlschlag ohne Wenn und Aber durchziehen.
Warum der Verwaltungsrat bei uns Ü 60 jetzt plötzlich seine Meinung geändert hat? Darüber rätseln wir alle. Vielleicht liegt es daran, dass neben den Entlassenen inzwischen etwa 20 Redaktorinnen und Redaktoren die SDA freiwillig verlassen haben und ein personeller Engpass drohte? Oder daran, dass wir Ältere damit gedroht haben, wegen diskriminierender Kündigung vor Gericht zu gehen? Oder weil der SDA-Verwaltungsrat den Imageschaden wieder etwas ausbessern wollte? Ganz genau werden wir es wohl nie erfahren.
«Ich würde wieder streiken, auch wenn nie sicher ist, was dabei herauskommt.»
Klar ist für mich: Wenn wir uns nicht gewehrt hätten, wäre das nicht möglich gewesen. Auch wenn ich während unseres viertägigen Streiks im Februar nicht damit gerechnet hatte, dass wir tatsächlich etwas bewegen könnten. Heute, mehr als ein halbes Jahr später, sehen wir aber: Der Kampf hat sich gelohnt. Erstaunlicherweise! Jetzt bin ich zurück an meinem neuen alten Arbeitsplatz. So erfreulich die Wiedereinstellung für mich ist, sie hinterlässt doch Spuren. Ich habe 20 Jahre für die SDA gearbeitet und sah meinen Job nie nur als Broterwerb. Dass uns die Unternehmensspitze so kaltherzig vor die Tür setzen wollte, kann ich nicht vergessen. Und dass viele jüngere Kollegen entlassen wurden, ist ein grosser Wermutstropfen.
ERFOLG. Ich würde alles noch einmal genau so machen. Ich würde wieder streiken, auch wenn man sich nie sicher sein kann, was am Ende dabei herauskommt. Aber hätten wir uns nicht gewehrt und wäre die Solidarität in der Öffentlichkeit nicht so gross gewesen, dann würde ich jetzt meine letzten zwei Jahre bis zur Pension auf dem RAV verbringen. Ich hätte eine Lücke in meiner Pensionskasse. Das bleibt mir und meinen Ü 60-Kolleginnen und -Kollegen nun erspart. Darüber freue ich mich!»
Aufgezeichnet von Patricia D’Incau
Arbeitskonflikt: Sieg auf halber Linie
Anfang Jahr verkündete SDA-CEO Markus Schwab: Ein Viertel aller Stellen wird weggespart. Die Belegschaft wehrte sich mit Streik. (work berichtete: rebrand.ly/sda-streik). Jetzt haben sich die Parteien auf einen Vergleich geeinigt.
BESSER. Das Kernstück ist die Wiedereinstellung der Entlassenen über 60 (siehe links). Stephanie Vonarburg von der Mediengewerkschaft Syndicom sagt: «Das ist in der Schweizer Medienbranche bisher einmalig.» Erfreulich seien auch die Verbesserungen beim Sozialplan. Gegen die hatte sich die SDA-Spitze monatelang gesperrt. Unerfüllt bleibt allerdings die Hauptforderung: der Erhalt der gestrichenen Jobs. Der Abbau ist endgültig.