In der Schweiz gilt die Kündigungsfreiheit. Aber nicht alles ist erlaubt: Eine Kündigung kann zur Unzeit erfolgen oder missbräuchlich sein. Dann gibt’s Aufschub oder eine Entschädigung.
GEFEUERT: Ist die Kündigung missbräuchlich, haben Sie Anrecht auf Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen. (Illustration: Getty)
«Sehr geehrte Frau Moser, leider sehen wir uns gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit Ihnen per 31. Dezember 2018 aufzulösen. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft. Mit freundlichen Grüssen.» In der Schweiz haben Firmen das Recht, ohne Angabe eines Grundes zu kündigen. Aber welche Rechte haben Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer? Kommt darauf an, wann die Kündigung erfolgt und was dahintersteckt.
KÜNDIGUNG ZUR UNZEIT
Zunächst sind da die klaren Fälle. Kündigungen, die zur Unzeit ausgesprochen werden, sind nichtig. «Zur Unzeit» heisst:
- während des Militär- oder Zivildiensts,
- während Absenzen infolge Krankheit oder Unfalls – im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, bis zum fünften Dienstjahr während 90 Tagen und danach während 180 Tagen,
- während der Schwangerschaft und in den ersten 16 Wochen nach der Geburt.
Allerdings bedeutet das Verbot der Kündigung zur Unzeit nur einen Aufschub: Nach Ende der Sperrfristen kann die Firma erneut kündigen.
Das Gericht verlangt Beweise. Sie vorzulegen ist oft nicht einfach.
WAS WAR DER GRUND?
Das Prinzip der Kündigungsfreiheit ist zwar eine der heiligen Kühe bürgerlicher Politik. Um dem fröhlichen «hire and fire» (anstellen und entlassen) dennoch Grenzen zu setzen, gibt es im Obligationenrecht (OR) den Artikel 336 über die missbräuchliche Kündigung. Darin ist aufgelistet, wann eine Kündigung als missbräuchlich gilt. Hier die wichtigsten Gründe:
- Wegen einer Eigenschaft, die Ihnen kraft Ihrer Persönlichkeit zusteht und die nichts mit Ihrer Arbeit zu tun hat. Damit sind etwa das Geschlecht, die Nationalität, körperliche Merkmale oder die Religion gemeint. Beispiel: Sie tragen als gläubige Muslimin ein Kopftuch, und Sie erhalten die Kündigung, weil sie sich weigern, darauf zu verzichten.
- Weil Sie ein verfassungsmässiges Recht ausüben. Beispiel: Sie sind nicht einverstanden mit den neuen Arbeitsabläufen und bringen Ihre Kritik bei den Vorgesetzten mit sachlichen Argumenten an. Oder Sie weigern sich, einen Auftrag auszuführen, der Sie selbst oder Dritte gefährden würde.
- Weil Sie sich in einer Gewerkschaft engagieren und/oder gewähltes Mitglied einer Arbeitnehmervertretung sind. Beispiel: Sie sind Vertrauensperson der Unia.
- Wenn die Firma kündigt, um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln. Beispiel: Sie werden auf Ende November nur deshalb vor die Türe gestellt, damit Ihnen im Dezember die Gratifikation nicht ausbezahlt werden muss.
- Weil Sie Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen. Beispiel: Sie fordern ausstehenden Lohn ein.
Bereits in verschiedenen Urteilen haben die Gerichte klagenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern recht gegeben, die eine Kündigung nach lang dauerndem Arbeitsverhältnis als missbräuchlich einklagten: Wer sich ein Leben lang für seine Firma eingesetzt habe, dürfe nicht aus fadenscheinigen Gründen kurze Zeit vor der Pensionierung an die Luft gesetzt werden. Hier gelte in besonderem Mass die Fürsorgepflicht der Arbeitgeberseite.
HEIKLE BEWEISFÜHRUNG
Falls Sie überzeugt sind, dass Ihre Kündigung missbräuchlich ist, legt Ihnen das Schweizer Recht nicht gerade den roten Teppich aus. Denn es liegt an Ihnen, die Missbräuchlichkeit geltend zu machen und den Beweis dafür zu erbringen. So gehen Sie vor:
- Erheben Sie noch während der Kündigungsfrist Einsprache gegen die Kündigung und teilen Sie mit, dass Sie diese als missbräuchlich betrachten. Einen Musterbrief dafür finden Sie hier: rebrand.ly/einsprache. Kommt es nicht zum klärenden Gespräch mit Rücknahme der Kündigung oder mit einer anderen Einigung, die Sie zufriedenstellt, ist die Kündigung gültig. Denn die Einsprache kann eine Kündigung weder aufheben noch aufschieben.
- Innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Sie Klage einreichen, die Klage begründen und Ihre Entschädigungsforderung beziffern. Nach Gesetz kann diese Entschädigung maximal die Höhe von sechs Monatslöhnen betragen. Bis zu einem Streitwert von 30’000 Franken ist das Arbeitsgericht zuständig, und es fallen keine Gerichtskosten an. Bei höherem Streitwert urteilt das ordentliche Zivilgericht – mit Kostenfolge. Da wird’s also schon knifflig: wie begründen, wie viel fordern? Und dass Ihnen die Gegenseite in der Verhandlung aus der Hand frisst, ist auch nicht zu erwarten. Sie wird versuchen zu belegen, dass jene Kündigungsgründe, die Sie als ursächlich und missbräuchlich beanstanden, gar nicht ausschlaggebend gewesen seien. Mit der Abwägung der Argumente tun sich auch die Gerichte oft nicht leicht; ein Verfahren zieht sich deshalb womöglich über mehrere Instanzen. Deshalb ist der Beizug von Experten in jedem Fall zu empfehlen (siehe Box).
DIE KÜNDIGUNG BLEIBT
Auch wenn Sie eine Entschädigung erstreiten: der Job ist verloren. Ausser in der Privatwirtschaft bei Gleichstellungsklagen (siehe Seite 7). Lassen Sie sich deshalb vom laufenden Verfahren nicht davon abhalten, sich beruflich neu zu orientieren. Für Ihre Bewerbung haben Sie vom früheren Arbeitgeber ein Recht auf ein faires Arbeitszeugnis.
Recht bekommen mit der Unia
Nutzen Sie beim Verdacht auf missbräuchliche Kündigung die Vorteile Ihrer Unia-Mitgliedschaft, und beanspruchen Sie die Rechtsberatung in Ihrer Unia-Regionalstelle! Die Erfahrung der juristisch geschulten Beraterinnen und Berater hilft Ihnen, Ihre Chancen richtig einzuschätzen und das geeignete Vorgehen zu wählen.
Fristlos entlassen Wichtige Gründe sind nötig
Auch eine fristlose Entlassung müssen Sie nicht einfach hinnehmen. Nach Artikel 337 OR braucht es «wichtige Gründe», damit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als per sofort «nicht mehr zumutbar» gilt. Darunter fallen strafbare Handlungen wie Diebstahl, Betrug, Bestechung, Tätlichkeiten und Beschimpfungen, aber auch Konkurrenzierung der Firma oder wiederholte Arbeitsverweigerung. Bestreiten Sie den Kündigungsgrund, können Sie wie folgt vorgehen: zuerst schriftlich protestieren und danach, falls keine Einigung zustande kommt, klagen. Das Recht auf eine Klage verjährt erst nach fünf Jahren. Hat Ihre Klage Erfolg, spricht Ihnen das Gericht die Lohnfortzahlung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu, allenfalls auch eine zusätzliche Entschädigung.
VERWARNUNG NÖTIG. Oft beurteilen die Gerichte eine fristlose Entlassung als nicht gerechtfertigt, weil ihr keine Abmahnung vorausging. Findet Ihr Chef zum Beispiel, Sie führten zu viele private Telefonate, Sie seien zu oft privat im Internet unterwegs oder Ihr Alkoholkonsum sei zu hoch, muss er zunächst das Gespräch mit Ihnen suchen und eine Verwarnung aussprechen. So haben Sie Gelegenheit, Stellung zu beziehen und Ihr Verhalten zu korrigieren, wenn Kritik gerechtfertigt war.