Jean Ziegler
Die vom bundeseigenen Waffenkonzern Ruag hergestellten Handgranaten vom Typ OHG 92 und HG 85 sind weltweit gefragt. Sie haben eine Reichweite von rund zwanzig Metern. In diesem Radius zerreissen sie alle ihre Opfer. Kürzlich wurden sie auch in Waffenlagern der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gefunden. Ehre gebührt dem «Sonntagsblick» der diesen Skandal akribisch recherchiert hat.
VÖLKERMORD AN DEN JESIDEN. Paulo Sergio Pinheiro präsidiert die Untersuchungskommission des Uno-Menschenrechtsrates für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien. In einem Bericht von 2016 beschreibt er den Völkermord des IS an den Jesiden. Dieses Bauern- und Hirtenvolk lebt in Nordsyrien und im Nordirak. Es hängt einer vom schiitischen Islam abgespaltenen Religion an. Die sunnitischen IS-Jihadisten wollten die Menschen deshalb ausrotten.
Die Jesiden-Familien flohen in die Keller ihrer Häuser. Viele suchten auch Zuflucht in den Höhlen des Sinjar-Gebirges. Die Jihadisten umzingelten die Verstecke und warfen
ihre Handgranaten hinein. Wie viele den Mordkommandos zum Opfer fielen, weiss
auch Paulo Sergio Pinheiro nicht.
Die Nachkontrolle der Waffenverkäufe ist eine helvetische Übung in Scheinheiligkeit.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann, als Seco-Chef für die Exportbewilligung verantwortlich, liess gegenüber dem «Sonntagsblick» verlauten, dass er sich nicht zu dem Skandal äussern wolle. Sein naiver Kommunikationschef verwies auf die sogenannte Nachkontrolle des Seco. Ihr Fazit im Fall der Handgranaten: Die Exportbewilligung wurde für die Vereinigten Arabischen Emirate erteilt. Tatsächlich verschoben die Emirate die Lieferung aber nach Jordanien. Dortige Waffenschieber verkauften sie weiter in die Türkei. Und türkische Händler verschacherten sie schliesslich an die Massenmörder vom IS.
Diese Nachkontrolle der Waffenverkäufe ist eine helvetische Übung in Scheinheiligkeit. Glücklicherweise gibt es noch die Eidgenössische Finanzkontrolle. Sie zeigte auf, dass die Seco-Kontrolleure immer wieder total versagen.
BÜRGERLICHE GEGEN EXPORTVERBOT. Die Kriegsmaterialverordnung verbietet den Export von Kriegswaffen in Staaten, die in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat will dieses Verbot aufheben.
Wo ist Hoffnung? Am Montag, dem 10. September, versammelten sich im Hotel Kreuz in Bern Vertreterinnen und Vertreter eines parteiübergreifenden Komitees, das von 40 Organisationen unterstützt wird. Wenn nötig, wollen sie eine Volksinitiative lancieren. Und der Nationalrat hat nun mit 97 zu 82 Stimmen bei 11 Enthaltungen entschieden, dass für die Kriegsmaterialexporte nicht mehr der Bundesrat zuständig sein soll.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neuestes Buch, «Der schmale Grat der Hoffnung», ist im März 2017 auf deutsch erschienen.