Der zweite Frauenstreik ist unterwegs. Das zeigen die Recherchen von work.
LASST TAUSEND STREIKKOMITEES BLÜHN: (von links) Manuela Honegger, Itziar Maranon, Franziska Stier, Natascha Wey und Corinne Schärer organisieren den Höhepunkt des Frauenjahres 2019 mit. (Fotos: ZVG (4), Franziska Scheidegger (1))
Es war eine machtvolle Demonstration: 20’000 Frauen und Männer protestierten am 22. September in Bern für Lohngleichheit und gegen Diskriminierung. Und machten klar, dass sie nicht länger warten wollen: «Es reicht, es braucht einen neuen Frauenstreik!» 27 Jahre nach dem ersten Frauenstreik von 1991 liegt also der zweite in der Luft. Er soll am 14. Juni 2019 stattfinden. Streikgründe gibt es genug: Immer noch verdient eine Berufsfrau in der Schweiz im Schnitt 7000 Franken im Jahr weniger, nur weil sie eine Frau ist. Immer noch leisten die Frauen die meiste Haus- und Betreuungsarbeit – gratis. Und noch immer ist Gewalt gegen Frauen allgegenwärtig. Kommt dazu, dass das Parlament im Kampf gegen die Lohndiskriminierung nur Mini-Schrittchen wagt.
VON GENF BIS ZÜRICH
In der ganzen Schweiz bilden sich jetzt Streikkomitees. Am 5. November findet die erste nationale Koordinationssitzung statt. Die Westschweiz hat die Nase vorne, wie Mitorganisatorin Manuela Honegger aus Genf erzählt. Inzwischen hat jeder der sechs welschen Kantone sein eigenes Streikkomitee. An den Veranstaltungen treffen sich jeweils rund 100 Aktivistinnen. Besonders erfreulich ist das grosse Echo im konservativen Wallis – auch dort kamen zum ersten Streiktreffen über hundert Frauen. Honegger hat einen Doktor in Politikwissenschaft, arbeitet als Campaignerin und hat zwei Schulkinder. Sie sagt: «Die grosse Herausforderung ist nun, möglichst viele verschiedene Frauen anzusprechen – die Mütter ebenso wie die Karrierefrauen.»
Besonders erfreulich ist das grosse Echo im Wallis.
Auch in Basel und Bern geht es vorwärts: Am 18. November plant das Basler Streikkomitee eine Diskussionstagung zu den Forderungen. Die Basler Aktivistin Franziska Stier sagt: «Lohngleichheit und die Entschädigung der Betreuungsarbeit gehören zu unseren Hauptforderungen. Aber auch die Gewalt gegen Frauen ist ein zentrales Thema.»
In Bern haben sich bereits verschiedene Arbeitsgruppen gegründet: Koordination, Kommunikation, Veranstaltungen und Recherche über bisherige Frauenstreiks. Mitorganisatorin und Journalistin Itziar Maranon sagt: «Es ist ein gesellschaftlicher Streik. Und weil die Gesellschaft Frauen grundsätzlich unterdrückt, sind davon auch alle in der einen oder anderen Form betroffen.»
Und auch im Tessin besteht schon ein Streikkomitee. Die Frauen in Zürich und in der Ostschweiz sind noch daran, Streikgruppen aufzubauen.
VIELE JUNGE FRAUEN
Der erste Frauenstreik wurde von den Gewerkschaften ausgerufen. Allen voran von Christiane Brunner. Die Sozialdemokratin war damals Chefin der Metallergewerkschaft Smuv, einer Vorgängerin der Unia. Heute äussert sich die Frauenstreik-Ikone im work auch zum zweiten Frauenstreik (siehe «Ob Gysi oder Maillard, ist nicht der springende Punkt»). Und wieder sind es die Gewerkschaftsfrauen, die sich an vorderster Front engagieren. Unia-Frau Corinne Schärer wird sich ab Dezember ganz auf die Organisation des Streiks konzentrieren: «Die Unia hat den Frauenstreik zum Schwerpunkt im Kampagnenplan erklärt.
Als VPOD-Gewerkschafterin voll dabei ist auch SP-Frauen-Präsidentin Natascha Wey. Mit einem Manifest riefen am 14. Juni 2018 SP und Juso das Frauenjahr aus, heute sagt Wey: «Der Frauenstreik wird der Höhepunkt unseres Frauenjahres sein!» Es sei kein Zufall, dass das Frauenjahr am 14. Juni 2019 ende. Und Wey gibt sich optimistisch: «An der Frauendemo in Bern habe ich viele junge Frauen gesehen, die sich bisher noch nie politisch engagiert haben. Das ist ein sehr gutes Zeichen!»