Der schnelle Aufstieg des Rechtsradikalen Matteo Salvini
«Demokratischer» Staatsstreich in Italien

Innenminister Matteo Salvini hat sich mit Rassismus und Pöbeleien gegen Europa zum starken Mann Italiens gemacht. Hilfe bekam er dabei ausgerechnet aus Brüssel.

ANIT-SALVINI-PROTEST DER PIZZAIOLI: «Ich bleibe draussen», steht auf dem Plakat. Und:
«Dies ist ein neapolitanisches Lokal, Zutritt für Rassisten verboten.» (Foto: Keystone)

Zuerst holten sie den Bürgermeister, Domenico «Mimi» Lucano. Dann begannen die Uniformierten von Innenminister Matteo Salvini, die Migrantinnen und Migranten aus dem kalabrischen Dorf Riace in Lager zu deportieren. Mimi Lucanos Verbrechen bestand darin, dass sein Modell funktionierte. Er hatte Hunderte von Flüchtlingen nach Riace eingeladen, um sein sterbendes Dorf wiederzubeleben.

Das konnte Salvini nicht zulassen. Denn er baut seine Politik auf die Behauptung, nicht etwa die Mafia sei Italiens existentielle Gefahr, sondern die Immigration. Sie zersetze Christentum und die italienische Nation. Dies, obwohl die Zuwanderungszahlen rückläufig sind. Egal, Salvini handelt nach dem Motto: Ist es kein Pro­blem, so mache ich eines daraus. Er attackiert die abtrünnigen Bürgermeister und die Hilfsorganisationen, zerstört gelungene Integrationsmodelle, schliesst die Häfen, lässt Tausende im Mittelmeer untergehen, verhängt Ausgangsverbote für Migranten, dekretiert die Schliessung ihrer Läden, deckt rassistische Morde und Übergriffe, hebelt die Pressefreiheit aus …

Unterwegs zum Autokraten,
macht Salvini alles: Migrationsminister, Polizei, Medienminister, Wirtschaftsminister, Aussenminister.

MARIONETTENSPIELER

Wenn Italien an etwas leidet, dann an der Flucht der Gehirne: Jährlich suchen 50’000 junge Diplomierte ihr Glück im Ausland, weil Italiens Ökonomie serbelt (work berichtete: rebrand.ly/gehirneaufderflucht). Aber Salvini hatte vor den Wahlen im März die «grosse kontrollierte (ethnische) Säuberung» versprochen. Jetzt muss er das durchziehen. Dies brachte seiner Partei, der rechtsextremen Lega, bei den Wahlen allerdings nur gerade knapp 17 Prozent der Stimmen ein. Die Lega ist eine merkwürdige ­Mischung von rassistischen Nord-Regionalisten («Neapolitaner stinken!» sang Salvini an einem Fest), Faschisten und Anhängern eines autoritären Neoliberalismus. Erst ein Regierungsbündnis mit der Protestbewegung Cinque Stelle (M 5 S), die mit dem Versprechen eines bedingungslosen Grundeinkommens zweimal mehr Stimmen holte, machte Salvini zum Vize-Regierungschef und Innenminister.

Doch nur wenige Monate später ist er zum starken Mann von Italien aufgestiegen. Und zum Anwärter auf die Führung Europas (siehe Artikel unten). Seinen Koalitionspartner Luigi di Maio von Cinque Stelle hat er an die Wand gespielt. Leoluca Orlando, der Mafia-Jäger und Bürgermeister von Palermo, sagt es so: «Salvini ist der Marionettenspieler, di Maio die Marionette.» Unterwegs zum Autokraten, macht Salvini alles: Migrationsminister, ­Polizei, Medienminister, Wirtschaftsminister, Aussenminister. Ein ‹demokratischer› Staatsstreich».

EU BEDIENT SALVINIS SPIEL

Dass Salvini sich zünftig mit der EU anlegt samt üblen Fake News, lässt Italiener glauben, Europa dränge sie in die Enge. Leute wie der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, aber auch deutsche Politiker bedienen Salvinis Spiel eifrig mit arrogantem Zungenschlag und Zurechtweisungen. Jetzt lehnte die EU Italiens Budget ab und verlangte ultimativ Nachbesserung. Salvini brüllte zurück. Es werde kein Komma geändert. 5-Sterne-Di Maio hechelte ihm hinterher. Das Budget enthält Steuererleichterungen für die Reichen (Flat Tax), die Rücknahme des Rentenabbaus und das versprochene Grundeinkommen. Und bricht damit mit der Sparpolitik früherer Regierungen. Dennoch bleibt Italien mit 2,4 Prozent Neuverschuldung unter der von der EU tolerierten Maastricht-Limite (3 Prozent). Aber die Deregulierung der Arbeitsgesetze wird nicht zurückgenommen. Das geplante Grundeinkommen ist inzwischen um die Hälfte eingedampft. Und die Rentenreform ist so mies, dass die Gewerkschaften zum Widerstand rufen. Susanna Camusso, (noch) Generalsekretärin des grossen Gewerkschaftsbundes CGIL, sagt: «Die Regierung redet über die Armen, hilft aber nur den Reichen und nährt den Fremdenhass.»

Indem die EU nun noch mehr Einsparungen erheischt, liefert sie Salvini beste Nahrung für seinen rechtsradikalen Nationalismus.


Trump-Bannon in Rom: Salvini soll EU-Chef werden

STEVE BANNON: Kümmert sich nach Trump jetzt um Salvini. (Foto: Reuters)

Während der französische Präsident Emmanuel Macron mit mehr als 70 Staatschefs das Ende des ersten grossen Völkerschlachtens 1918 und das Friedensprojekt Europa feiert, richtet sich Steve Bannon in Italien ein. Der Mann, der Donald Trump zum Präsidenten machte, hat Wohnsitz in Rom genommen, an der Piazza del Popolo.

Hier, in Matteo Salvinis ­Italien, hat der Rassist, Ultranationalist («America first!») auch seine neue Kommandozentrale für den Krieg gegen die EU ­aufgeschlagen. Der Amerikaner, er ist Ex-Banker von Goldman Sachs, will den Kontinent mit einer rechten Revolution überziehen. Ultraliberal, autoritär, antidemokratisch, nationalistisch. Dafür hat er die Organisation «The Mouvement» geschaffen, mit dem Rechtsextremisten Michaël Mondrikamen aus Belgien, reichlich Geld und Personal. Der Probelauf war die Manipulation des Brexit via Datenkonzern Cambridge Analytica.

DER PLAN. Jetzt soll Matteo Salvini Bannons nächster Trump werden. Er will Salvini zum EU-Kommissionspräsidenten machen, um die EU von innen zu zerstören. Der Italiener hat seine Kandidatur schon angemeldet, die deutsche AfD reagierte begeistert.

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