Die Rechte der ­Bauern

Jean Ziegler

Jean Ziegler

Auf dem kastilischen Hochland liegt die wun-derschöne Stadt Salamanca. Die dortige Universität gehört zu den ältesten Hochschulen der Welt. Sie wurde 1253 gegründet. Wer heute die holzgetäfelte Aula Maxima besucht, wird respektvoll auf eine dunkle Holzbank aufmerksam gemacht. Dort sass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als folg­samer Schüler der aus dem schweizerischen Aargau stammende Karl V. Der Student hörte die Vor­lesungen des Dominikanermönchs Francisco de Vitoria, des Begründers des Völkerrechts. Das Völkerrecht ist eine Errungenschaft der Zivilisation. Denn es universalisiert den Rechtsstaat und ersetzt zwischenstaatliche Willkür durch statutarisch oder vertraglich gesicherte Regeln.

Diejenigen, die für die Ernährung der Menschheit zuständig sind, leiden am schrecklichsten an
Unterernährung.

WUNDERSAMER ERFOLG. In der 32. Session des Uno-Menschenrechtsrates (September 2018) in Genf ist dem Völkerrecht ein wundersamer, politisch hochbedeutender Durchbruch gelungen. Unterstützt von Organisationen der internationalen Zivilgesellschaft und ausgehandelt vom klugen Schweizer Uno-Botschafter Valentin Zellweger, wurde die Präsidial­deklaration über die Menschenrechte der Bauern angenommen. Ein Paradox beherrscht die Weltwirtschaft: Jener Bevölkerungsteil, der für die Ernährung der Menschheit zuständig ist, leidet am schrecklichsten an Unterernährung. Drei Viertel der laut Weltbank «extrem Armen», die mit weniger als 1,25 Dollar am Tag überleben müssen, sind Kleinbäuerinnen, Pächter oder landlose Tagelöhner und ihre Familien. Das Agrarland ist heute insbesondere in Schwarzafrika und Südostasien durch Hedge-Funds und Grossbanken bedroht. Allein in Afrika südlich der Sahara erwarben 2017 «fremde Investoren» 41 Millionen Hektaren Agrarland. Die einheimischen Bauernfamilien werden mit Gewalt von den korrumpierten lokalen Behörden verjagt. Auf dem nun «freien» Land entstehen Plantagen zur Gewinnung von Palmöl und Agrartreibstoffen oder Blumen für den Export nach Europa. In der neuen Menschenrechtserklärung zum Schutz der Bauen stehen – neben dem Recht auf Nahrung – die Rechte auf Bewässerung, Agrarkredite, Samen, Dünger und Zugkraft. Und: Wer durch Korruption und Gewalt von seinem Land vertrieben wird, kann im Heimatland der neuen Landbesitzer auf Reparation und Schadenersatz klagen.

GENFER LANDRÄUBER. Genf ist nach London die Welthauptstadt der Landräuber. Hedge-Funds geniessen hier das Privileg der ­Pauschalbesteuerung. Hier findet alljährlich die Jetfin Agro-Conference statt, das Gipfeltreffen der Landräuber. Viele von ihnen ­operieren weltweit von Genf aus. Die von ihnen geplünderten Bauern der südlichen Hemisphäre können nun dank der neuen Uno-Norm in Genf klagen. Sofern die Genfer Justiz erwacht, wird dieses Recht Hundert­tausende von Menschenleben retten.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden ­Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor.

1 Kommentare

  1. Regula Züger Càceres 1. Dezember 2018 um 12:20 Uhr

    Vielen herzlichen Dank an JZ für jede Kolumne, alle sind sie so richtig gut!
    Gerne würde ich (ausser der Unterstützung der KOVI) noch wissen, was wir hier machen können damit die geplünderten Bauern der südlichen Hemisphäre auch erfahren, dass sie nun dank der neuen Uno-Norm in Genf klagen können. Danke für Mitteilung, wo man sich anschliessen kann, welche NGO sich da schon engagiert.

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