Gärtner Markus Guggisberg hegt und pflegt das Grün entlang den Berner Flaniermeilen. Manchmal in schwindelerregenden Höhen.
HOCH HINAUS. Markus Guggisberg (52) und sein grünes Revier. (Fotos: Matthias Luggen)
In der Ferne präsentiert sich ein prächtiges Alpenpanorama, doch auf den Sitzbänken bei der Europapromenade, am Rand der kleinen Schanze in Bern, sitzt niemand, um es zu betrachten. Die kleine Allee ist abgesperrt an diesem sonnigen Wintertag. Auf langen Holzleitern steigen die Mitarbeitenden von Stadtgrün Bern in die Kronen der Bäume, um die laublosen Äste zu schneiden. Mit einem Klettergurt gesichert und einem weissen Helm auf den Kopf ist auch Markus Guggisberg (52) dort oben zu finden.
IM TURNUS. An der moosüberwachsenen Rosskastanie, von der er heruntersteigt, glänzen die frischen Schnittflächen. Guggisberg erklärt: «Jeweils Ende Jahr geht’s bei uns ans Bäumeschneiden, diese Bäume hier werden alle zwei Jahre geschnitten.» Durch den Turnus sei sichergestellt, dass sie jeden Baum regelmässig einmal von oben bis unten kontrollierten und auf allfällige Schäden oder Gefahren reagieren könnten. Seit 27 Jahren arbeitet Markus Guggisberg bei Stadtgrün Bern oder der Stadtgärtnerei, wie die Abteilung früher hiess. «Ursprünglich habe ich Topfpflanzen- und Schnittblumengärtner gelernt, in der Gartenbauschule auf dem Oeschberg», sagt der gebürtige Niederwangener. «In der Zeit nach meinem Lehrabschluss mussten aber viele Topfpflanzen- und Schnittblumengeschäfte schliessen.» So kam Guggisberg zur Stadtgärtnerei. Mittlerweile kennt er einen Grossteil der Grünanlagen der Stadt Bern und zählt auf, für welche Strassenzüge, Parks und Flächen er und sein Team zuständig sind.
Seit 15 Jahren arbeitet Guggisberg als Vorarbeiter. «Als Polier bin ich für Planung und Koordination zuständig und auch verantwortlich für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften», sagt er. «Das Ganze ist aber immer eine Teamarbeit», betont Guggisberg und zeigt hinter sich, wo seine Kollegen fleissig schneiden, aufräumen und Holz abtransportieren. «An einem sonnigen Tag wie heute macht das natürlich Spass», sagt er, «aber eigentlich bin ich nicht so der Wintertyp.» Die Arbeit im Frühling oder Sommer sei interessanter und abwechslungsreicher. Ein so heisser Sommer wie im letzten Jahr bringe ihn und seine Kollegen aber schon an die Grenzen. Guggisberg sagt: «Es zehrt ganz schön an der Substanz, den ganzen Tag lang in der brennenden Sonne zu arbeiten. Die Arbeit wird körperlich sehr anstrengend.»
SAFETY FIRST: Eine solide Ausrüstung für die ganzjährige Arbeit draussen ist Pflicht. Pflicht ist auch, dass die Gärtner den Helm anbehalten, wenn sie sich nur für kurze Wege ins Fahrzeug setzen.
5 JAHRE ROSENGARTEN. Guggisberg ist bei Stadtgrün Bern im Bereich der Grünflächenpflege angestellt, er und sein Team gehören zum Unterhaltskreis Innenstadt. Früher, noch im Unterhaltskreis Ost, habe er fünf Jahre lang nur den Rosengarten gepflegt. «Ich habe das gerne gemacht, aber nach ein paar Jahren begann mir die Abwechslung zu fehlen.» Im Kreis Innenstadt sei die Arbeit nun vielfältiger, meint Guggisberg: «Ich hab mich schnell eingelebt. Mein Team und ich sind insgesamt für 54 Anlagen zuständig, das ist quasi unser Revier hier.» Die Mitarbeitenden von der Grünflächenpflege sind fast jeden Tag draussen, trotzdem sei man vom Wetter abhängig, so Guggisberg: «Wenn’s heute geregnet hätte, würden wir jetzt nicht Bäume schneiden. Das ist zu gefährlich.» Dann ist Improvisation gefragt: «Bei Schlechtwetter schneiden wir beispielsweise Sträucher oder pflegen Wildhecken.» Und wenn das Wetter ausnahmsweise kaum zum Aushalten ist, räumen sie auch mal den Stützpunkt auf.
80 LEBENSJAHRE. Das Interesse an den Pflanzen hat der ausgebildete Gärtner in all der Zeit nie verloren. «Ich mag Botanik sehr gerne und will immer wissen, wie die verschiedenen Pflanzen heissen. Das ist ein Steckenpferd von mir.» Im Kollegenkreis ist er als Botaniker bekannt. «Ich bin schon ziemlich der Blüemeler und Pflänzeler», sagt Guggisberg und lacht.
Mittlerweile ist es schon später Nachmittag, und die Arbeiten an den Bäumen sind fast fertig, alle Kronen sind auf eine einheitliche Oberhöhe begrenzt. Guggisberg erklärt: «Hier handelt es sich um eine historische Allee, die Bäume dienen als Begleitgrün zur Fläche, auf der man sitzen oder flanieren kann.» Markus Guggisberg dreht sich um und zeigt auf eine kleine Anhöhe: «Wir begrenzen die Höhe der Bäume, damit auch vom Pavillon dort das Alpenpanorama gesehen werden kann. Andere Alleen hingegen lassen wir frei wachsen.»
Während viele Arbeiten aus dem Alltag des Poliers kurzfristige Improvisation verlangen, sind andere für die Zukunft gedacht. Immerhin geht Guggisberg bei einem Baum von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 80 Jahren aus: «Wir pflanzen Bäume, die wir nicht wieder fallen sehen. Jede Generation Gärtner setzt Bäume für die nächste Generation.» Deshalb sei es wichtig, auch längerfristig zu denken, wenn er Entscheide treffen müsse. «Wir machen in unserer Arbeit viel, was keinen unmittelbaren Effekt hat», sagt Guggisberg, «für andere Leute ist das manchmal schwer nachzuvollziehen. Da merken wir schon, dass unsere Arbeit nicht immer genug Wertschätzung erhält. Die Menschen freuen sich zwar, wenn die Grünanlagen hübsch aussehen, aber was dahintersteckt, wissen viele nicht.»
Markus Guggisberg Botaniker, Metal-Fan
Der 52jährige Markus Guggisberg machte nach der obligatorischen Schulzeit eine dreijährige Lehre als Topfpflanzen- und Schnittblumengärtner in der Gartenbauschule Oeschberg BE. Nach sieben Jahren auf dem gelernten Beruf begann er bei der Stadtgärtnerei, heute Stadtgrün Bern, zu arbeiten. Stadtgrün ist für Unterhalt und Gestaltung der städtischen Grünanlagen zuständig. Seither steht er fast ununterbrochen im Dienst der Stadt Bern. Seit 2003 arbeitet er als Vorarbeiter und ist zuständig für die Grünanlagen der Innenstadt. Der Lohn für sein 100-Prozent-Pensum ist durch die Anstellungsbedingungen der Stadt Bern vorgegeben.
GITARRIST. «In meiner Freizeit gehe ich gerne an Konzerte», sagt Guggisberg und grinst, «am liebsten höre ich Metal, ich mag aber auch Blues und Rock ’n’ Roll.» Der Gärtner spielte früher selbst Gitarre in Bands, mittlerweile bleibt ihm neben Beruf und Familie aber kaum noch Zeit dafür. Auch privat ist Guggisberg fasziniert von Pflanzen und Botanik, geht gerne Pilze sammeln und pflegt den eigenen Garten in Fraubrunnen.