Die Gewalt der Gilets jaunes ist ein Echo auf die Gewalt, die von Präsident Macrons Zerstörung der französischen Gesellschaft ausgeht.
GOLDIGER PRÄSIDENT: Emmanuel Macron macht Politik für die Reichen und lässt den Rest der Bevölkerung im Regen stehen. (Foto: Keystone)
Am 5. Oktober sprang ein 51jähriger Angestellter aus der 6. Etage eines Büroturms der französischen Bahnen SNCF in Lyon. Wenige Tage später tat es ihm eine Eisenbahnerin in Nîmes gleich. Am 16. Oktober warf sich ein 35jähriger SNCF-Arbeiter frühmorgens vor den ersten TGV Marseille–Paris. Wenige Wochen später stellte sich ein Zugführer in Charleville-Mézières vor einen ausfahrenden Zug. Seit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Eisenbahnreform durchgezogen hat, gegen den Protest von Hunderttausenden, erschüttert eine Selbstmordwelle die SNCF. Das Management versucht, das Ausmass zu kaschieren, und verweigert auch den Gewerkschaften genauere Informationen. 2018 sollen sich mehr als 60 Kolleginnen und Kollegen während des Dienstes umgebracht haben, schätzt ein Arbeitsmediziner der Gewerkschaft Sud-Rail.
Suizide sind ein heikles Thema. Aber wenn Zugführer, die in vielen Fällen selbst schockierende Erlebnisse mit Lebensmüden vor ihren Loks hatten, sich unter die eigenen Maschinen werfen, dann sind das mehr als Einzelschicksale. Es ist ein Zeichen für das Mass der Gewalt, das diesen Berufsleuten von der Politik durch die Demontage der sozialen Sicherheit angetan wird. Sehr konkrete Gewalt in Form unmenschlichen Stresses und zerstörter Berufsperspektiven. Und symbolische Gewalt: Monatelang hatte Präsident Macron die angeblichen «Privilegien» der Eisenbahner an den Pranger gestellt, die es in Wahrheit seit Jahrzehnten nicht mehr gab (work berichtete). Doch diese Gewalt wird in der öffentlichen Debatte «systematisch negiert», wie der französische Ökonom und Philosoph Frédéric Lordon bemerkt.
2019 will der «Präsident der Superreichen» den Konzernen weitere 18,8 Milliarden Euro erlassen.
Milliarden für Konzerne. Schon Macrons Vorgänger, der Sozialdemokrat François Hollande, war sozial wenig zimperlich. Kein Wunder: Macron hatte ihm ein neoliberales Programm verpasst, zuerst als Chefberater, dann als Wirtschaftsminister. Jetzt baut Macron, der Ex-Banker, das Land vollends zum Konzern um: in seiner ersten Amtswoche attackierte er die Gewerkschaften und zerschlug die letzten Schutzbestimmungen im Arbeitsrecht. Jetzt steigen die Gewinne, die Reallöhne sinken, die Arbeitszeiten werden länger, und mehr als 70 Prozent aller neuen Arbeitsverträge sind befristet. Dann schaffte Macron die Reichensteuer ISF ab. Die Folge: ein Loch von 16 Milliarden Euro im Staatshaushalt. Dividenden wurden mit 9 Milliarden entlastet. 2019 erlässt der «Präsident der Superreichen» den Konzernen weitere 18,8 Milliarden Euro, so steht es im Haushaltsplan. Und schüttet ihnen weitere 20 Milliarden Euro an «Gutschriften» aus – ohne Gegenleistung.
Gleichzeitig erhöhte Macron die Steuern für Rentnerinnen und Rentner ab 1080 Euro Rente. Er strich die Wohnbeihilfen (APL) zusammen, kappte 220 000 Integrationsjobs, baut den öffentlichen Dienst massiv zurück und gräbt an allen Ecken und Enden das Sozialsystem an. Denn das koste, sagte Macron, einen «irren Stutz für Leute ohne Bedeutung».