Europas Rechtsnationale haben eine dicke Kriminalakte
Testosteron und Lug und Trug

Korruptheit ist ihr Markenzeichen. Betrug ihr Alltag. Dennoch werden die Ultrarechten immer wieder gewählt.

DIE DREI GRÜSEL VON RECHTSAUSSEN: Heinz-Christian Strache aus Österreich, Marine Le Pen aus Frankreich, Matteo Salvini aus Italien. (Foto: Getty)

Beinahe hätte der österreichische Rechtsradikale die Falle gewittert. Heinz-Christian Strache fielen die schmutzigen Fussnägel der angeblichen russischen Oligarchen-Nichte auf. Sie behauptete, eine Viertelmilliarde Euro Schwarzgeld in Österreich investieren zu wollen. Doch man lümmelte sich auf dem Sofa einer Luxusfinca auf Ibiza, und Testosteron vernebelte den Blick. Die Gockelei vor der langmähnigen Blonden übernahm wieder das Kommando.

Sechs Stunden lang redete sich der Führer der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) in eine strahlende Zukunft. Wenn die Russin den Rechtsextremen zum Wahlsieg verhelfe, werde er ihr enorme Staatsaufträge, Casino-Lizenzen und Firmen zuhalten, versprach Strache. Auf Kosten österreichischer Unternehmen. Legal, illegal, scheissegal.

VORBILD SVP

Unbemerkt solle die reiche Russin die grosse österreichische «Kronen-Zeitung» kaufen, um ihn zu ­«pushen», schlug Strache vor. Und weil es so schön war, lästerten Strache und sein Begleiter noch eine Weile über die Sexaffären der politischen Gegner. Pech, dass dies irgendjemand mitschnitt. Das ­Video zeigt die Ultrarechten in ihrer ganzen Pracht: prahlerisch, grossmannssüchtig und von brutalem Gemüt.

Nur wenige Monate nach diesem Geheimtreffen stieg Strache in Wien zum stellvertretenden Regierungschef auf. Die Koalition von Volkspartei (ÖVP) und FPÖ ging sogleich daran, die 60-Stunden-Arbeitswoche einzuführen. Eine der ersten Amtshandlungen Straches aber war eine Reise zu SVP-Bundesrat Ueli Maurer. Die FPÖ, in deren Reihen sich eine Menge bekennender Neonazis tummeln, unterhält beste Beziehungen zum «Vorbild SVP» (Strache), zur deutschen AfD, zum ungarischen Regime von Viktor Orbán und zu anderen Feinden der Demokratie.

Die kriminelle ­Energie von Strache, Salvini, Le Pen & Co. ist beachtlich.

Das Ibiza-Video hat nun zu Straches vorläufigem Fall geführt. Und zum Sturz seines Regierungskumpels von der ÖVP, des Kanzlers Sebastian Kurz. Offiziell wollen die anderen harten Rechten Europas ihre Össi-Kameraden jetzt plötzlich nicht mehr kennen. Sie sind sauer, weil Strache das 11. Gebot gebrochen hat und sich erwischen liess. Sein Buhlen um russisches Geld lupft ein wenig den Vorhang auf die Geldströme, die derzeit die Kassen der Ul­trarechten füllen. Geld von Putin & Freunden. Geld von Trump & Freunden, samt Rat von Berater Steve Bannon, der einst Trump ins Weisse Haus gebracht hatte und der auch bei der SVP in hohem Ansehen steht. Zaster von Millionären & Konzernen. Die neigen, immer wenn der Kapitalismus kriselt und die Revolte droht, autoritären Regimen zu. Inzwischen haben Recherchen der europäischen Anti-Lobbygruppe CEO ganze Netzwerke der braunen Finanz aufgedeckt. Kein Wunder also, regieren die Rechtsnationalen in zwölf Ländern Europas schon allein oder mit.

Wo auch immer Schwarzgeld einzusacken ist, sind diese Saubermänner, Frauenhasser, Migrantenfresser und Armenjäger ganz vorne mit dabei. Noch lieber veruntreuen sie Steuergelder. Frankreichs Marine Le Pen, die in Brüssel «ausmisten» will, ­finanziert ihr Rassemblement national (RN) nicht nur mit intransparenten Zuwendungen aus Russland. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr und 20 Parteifreunden auch den betrügerischen Griff in EU-Geldtöpfe vor. Wenn Le Pen, FPÖ, AfD, Ita­liens Lega, die britische Ukip, die holländische PVV, Ungarns Fidesz die «Korruption der Eliten» anprangern, meinen sie aber nie sich selber.

WEISSER-MANN-MIEF

Ihr neuer starker Mann ist nun Italiens stellvertretender Regierungschef Matteo Salvini (siehe Seite 2). Anfang Mai verlor der Neofaschist von der Lega einen engen Vertrauten, Armando Siri. Der Staatssekretär und Vordenker der Lega soll Bestechungsgeld der Mafia genommen haben. Es war nur die bisher letzte einer langen Reihe von Affären Salvinis, der Reden vom Balkon Mussolinis hält und den Lynchmob gegen Migranten auf die Strassen schickt. Erhellend, mit welch hoher krimineller Energie diese Hüter von «Law and Order» den Gesetzesbruch betreiben. Auch diverse Exponenten der SVP: von der rassistischen Hetze bis zur Veruntreuung ist da alles möglich (siehe Kasten). Manche sehen darin den Ausdruck einer Anti-Establishment-Haltung. Das ist Unsinn. Denn diese Leute: Orbán, Le Pen, Blocher, Salvini usw. sind selbst längst Mitglieder des Clubs der Reichen und Mächtigen. Was sie unterscheidet, wenn überhaupt, ist ihr gebrochenes Verhältnis zum Menschenrecht, zur Rechtsstaatlichkeit, zur Demokratie. Und ihre Nostalgie für die Verbrechen und den tausendjährigen Mief des Weissen Mannes.

Dennoch werden diese Leute immer wieder gewählt. Es mag daran liegen, dass der Kapitalismus das soziale und ökologische Verbrechen zum Normalfall erhoben hat. Oder auch daran, dass man sich heute mit rechtsradikaler Gesinnung nicht mehr lächerlich machen kann. Es sei denn, ein zufälliger Shitstorm setze dem ein Ende. Weil man Fussnägeln etwas zu wenig Bedeutung beimisst. ­

SVP: Vorstrafenregister

Gepanzert in kugelsicheren Westen, gingen SVP-Präsident Albert Rösti und seine Bundeshausfraktion kürzlich auf Patrouille mit der Zürcher Stadt­polizei. Keine Partei kennt sich mit Recht und ­Ordnung besser aus, jedenfalls, wenn man ihr Vorstrafenregister liest. Luzi Stamms Koks fédéral oder sein Falschgeld in der Wandelhalle oder ­Yvette ­Estermanns falscher Doktortitel sind ­blosse Anekdoten. Richtig zur Sache ging’s zum Beispiel bei SVP-Politiker Oliver Mank, Schaffhausen: sexuelle Nötigung, Frauen zur Prostitution gezwungen. Oder beim Tessiner Grossrat Roger ­Etter: Mordversuch und Veruntreuung, elf Jahre Zuchthaus. Bei Ex-SVP-Bundesratskandidat Bruno Zup­piger: mehr­fache Veruntreuung usw. usw.

REICHSKRIGSFLAGGE. Dazu fügen sich etliche Verurteilungen von SVP-Mannen wegen Rassen­diskriminierung prächtig hinzu. Etwa von Jean-Luc Addor, heute Nationalrat. O­der vom Vater von SVP-Nationalrat Andreas Glarner, Hans-Rudolf Glarner. Getrost kann der ehemalige Walliser Erziehungs­direktor und SVP-Nationalrat Oskar Freysinger im Keller seines Hauses seine Reichskriegsflagge hissen. Neonazis benutzen die Fahne der deutschen Streitkräfte (von 1871 bis 1918) als Symbol für ihre Gesinnung – auch in der Schweiz.

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