Die Frauen und Männer der Theaterwerkstatt Felsenau haben für den Tag der Tage eine einmalige Requisite kreiert. work war beim letzten Anstrich dabei.
STARKE STIMMUNG: Frauen und Männer der Theaterwerkstatt Bern sind am Frauenstreik dabei. (Fotos: Yoshiko Kusano)
Alte Backsteinmauern, lichtdurchflutete Räume, verwinkelte Gänge: Ein Ort, wie geschaffen für ein Schauspiel. In den Fabrikhallen der ehemaligen Spinnerei Felsenau dreht sich tatsächlich alles ums Theater, doch die Hauptrollen spielen hier Schreinerinnen, Kascheure, Malerinnen und Schlosser. Es ist die Werkstatt des Stadttheaters Bern. Zurzeit arbeiten die 20 Mitarbeitenden am Bühnenbild für die Oper «Der Barbier von Sevilla». Und an einer ganz aussergewöhnlichen Requisite: einer Faust im Frauensymbol. Dieses Bühnenbild feiert am 14. Juni Premiere.
Schreinerin Rose Marie Hintermeister (51) sagt: «Ich war von Anfang an Feuer und Flamme für den Frauenstreik!» Hintermeister ist die einzige Frau in der Schreinerei. Sie arbeitet seit 10 Jahren in der Theaterwerkstatt und ist mit ihren Arbeitsbedingungen eigentlich zufrieden. Trotzdem: «Ich werde am 14. Juni auf die Strasse gehen, weil es mich nervt, dass man Frauen körperlich weniger zutraut als Männern», sagt die Frau, die ihre männlichen Kollegen um einen Kopf überragt. Und: «Ich finde es unsäglich, dass das gleiche Verhalten bei Männern als stark angesehen wird und bei Frauen als ‹hysterisch›.» Hintermeister und ihre Kolleginnen und Kollegen erstellen pro Jahr 21 grosse und 10 kleine Bühnenbilder. Meistens arbeiten sie an drei Bühnenbildern parallel und schieben die Requisiten zwischen Schreinerei, Schlosserei, Malerei und Kascheur-Atelier hin und her.
«Ich war von Anfang an Feuer und Flamme für den Frauenstreik.»
STYROPOR UND METALL
In der Schlosserei steht Urs Mumenthaler (39) mitten in den Funken. Dann klappt er das Visier seines Schutzhelmes hoch und sagt: «Für mich war immer klar, dass ich mich dem Frauenstreik anschliesse.» Seine Frau arbeitet als Pflegefachfrau. Jahrelang habe sie weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. Ihre Chefs hätten sie mit dem Argument abgespeist, dass Frauen ihre Löhne halt besser verhandeln müssten. Mumenthaler sagt: «Das ist ein Skandal!»
Im Atelier der Kascheure hängen Stukkaturen an den Wänden, Büsten schauen von oben herab. Kascheurin Mirjam Ramser (36) macht ein Gedankenspiel: «Würden die Frauen der Theaterwerkstatt dauerhaft streiken, stände der Barbier von Sevilla auf einer farblosen Bühne, die Theatergäste sähen nur Styropor und Metallgerüste.» Ramser findet es wichtig, dass die Arbeit der Frauen anerkannt und auch gerecht bezahlt wird. In der Theaterwerkstatt hätten sie zwar Lohngleichheit. «Aber das ist längst nicht überall so.»
IN 3D. Malerin Barbara Bono bemalt die Frauenstreik-Skulptur.
FRAUENSTREIK IN 3D
Und dann steht sie da, mitten im Malsaal, schon fast parat für den Tag der Tage: die grosse Faust im Frauensymbol. Darauf steht: «Frauen ins Rampenlicht». Malerin Barbara Bono (61) gibt der Skulptur noch den letzten Anstrich. Sie erklärt: «Wir haben lange diskutiert, was wir machen wollten. Aber als Theaterwerkstatt war es dann irgendwie naheliegend, das Frauenstreiksymbol in 3 D zu bringen.» Und was ist mit den Frauen im Rampenlicht gemeint? Bono erklärt: «Wir möchten, dass man Frauen richtig anschaut, dass sie sich nicht im Dunkeln verstecken und schon gar nicht hinter den Männern.»
Das Atelier der Malerinnen und Maler gleicht tatsächlich einem Saal: gross, hell, Gemälde an den Wänden. «Das sind Lehrstücke der Lernenden», erklärt Lisa Minder (34), Co-Leiterin des Malsaals. Eben ist sie aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt. Sie sagt: «Ich bin sehr froh, dass ich ein halbes Jahr bei meinem Kind bleiben konnte. Die 14 Wochen, die das Gesetz vorschreibt, sind unmenschlich. Deshalb gehe ich am 14. Juni auf die Strasse, aus Solidarität mit den anderen Müttern.» Zwei von Minders Kolleginnen sitzen am Tisch und bemalen Papierstreifen. Für Susanne Kolbow (39) wäre es eigentlich selbstverständlich, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben. «Aber es ist nun mal nicht so, und das finde ich erschreckend.» Jasmin Kupfer (29) pflichtet ihr bei. Kupfer stört es ganz besonders, dass sie häufig als Objekt angesehen wird. Sie sagt: «Vielen Männern ist nicht bewusst, wie schnell sie eine Frau belästigen oder bedrängen.»
Hintermeister, Mumenthaler, Ramser, Bono, Minder, Kolbow, Kupfer und fast alle ihre Kolleginnen und Kollegen sind Mitglied bei der Unia. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb fast das gesamte Team dabei ist, wenn die Faust-Skulptur auf einem Lastenvelo ihre grosse Reise beginnt: von der Felsenau über den Theaterplatz bis vors Bundeshaus. Kupfer freut sich: «Das gibt ein Riesenfest!»
Höhenfeuer: Bäuerinnen am Frauenstreik
ÜBER DEM SEE. Höhenfeuer in Sigriswil im Berner Oberland. (Foto: ZVG)
Es brannte lichterloh, das Höhenfeuer der Landfrauen in Sigriswil BE, hoch über dem Thunersee (siehe Foto links). Und auch die anderen Höhenfeuer der Bäuerinnen im Zürcher Oberland und in Baselland. Eine Woche vor dem 14. Juni entzündeten die Landfrauen so den Frauenstreik. Und wiesen auf all die Diskriminierungen hin, denen die Bäuerinnen in der Schweiz ausgesetzt sind.
KEIN LOHN. Über die Hälfte der Bauernfrauen verdienen nichts. Eine Arbeitszeiterhebung des Bundes zeigt, dass sie im Schnitt 63 Stunden in der Woche chrampfen. Sie arbeiten auf dem Betrieb mit, sie machen die Erziehungs- und Hausarbeit und die Administration. Dafür sehen viele von ihnen keinen Rappen. Drei Viertel der Frauen sind nicht sozialversichert. Ohne Lohn und Arbeitsvertrag gelten sie als Nichterwerbstätige. Dadurch haben sie im Alter nur die AHV und auch dort meistens nur das Minimum.
VOR DEM NICHTS. Richtig bedrohlich wird es für eine Bäuerin bei einer Trennung vom Mann. Sie verliert Vermögen und Zuhause und steht vor dem Nichts. Denn in der Landwirtschaft ist es so, dass es nur einen Besitzer geben kann. Und das ist meistens der Mann. Das ganze Vermögen ist damit in seinen Händen, und dort bleibt es auch bei einer Scheidung.
Weitere Infos: rebrand.ly/hoehenfeuer