Der heutige 14. Juni wird in die Geschichtsbücher eingehen. Als Unia-Präsidentin bin ich deshalb besonders stolz, dass wir Gewerkschafterinnen wieder eine führende Rolle an diesem Frauenstreik- und Aktionstag übernehmen. Wie schon 1991.
FAUST AUS DEM SACK: Unia-Präsidentin Vania Alleva an der grossen Lohngleichheitsdemo im September 2018. (Foto: Yoshiko Kusano)
«Damals waren es die Uhrenmacherinnen im Vallée de Joux, die genug hatten von den skandalösen Lohnunterschieden – und einen Frauenstreik wollten. Christiane Brunner boxte ihn dann durch alle Gewerkschaftsgremien. Gegen grimmigen Widerstand. Sie war damals Zentralsekretärin beim Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterinnenverband (Smuv). Dieser ging später in der Unia auf. Ich bin stolz auf diese, unsere Frauengeschichte.
Es geht um die grundsätzliche Frage, wie wir zusammen leben und arbeiten.
ERFOLGE. Wir Nachfolgerinnen von Christiane Brunner haben es heute schon weniger schwer: Der Antrag für einen Frauenstreik am 14. Juni 2019 fand in den Gewerkschaften schnell breite Unterstützung. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass die Gewerkschaften weiblicher geworden sind. 2019 ist nicht mehr 1991: Seither haben wir unter anderem das Gleichstellungsgesetz, die Mutterschaftsversicherung und die Fristenlösung erkämpft. Doch das reicht nicht. Mit der Lohngleichstellung zum Beispiel geht und geht es nur im Schneckentempo voran.
Dabei machen wir seit Jahren Druck. Auf alle erdenklichen Arten: vom freiwilligen Lohngleichheitsdialog über Verhandlungen mit den Arbeitgebern bis hin zur jüngsten Revision des Gleichstellungsgesetzes. Letztere bringt nun kleine Verbesserungen. Doch selbst diese Mini-Minirevision kam im Parlament nur dank dem grossen Druck der Strasse durch. Letzten September waren 20’000 Frauen und solidarische Männer für Lohngleichheit und gegen Diskriminierung in Bern auf der Strasse. Das war ein mächtiger Auftakt zum Frauenstreik.
Und jetzt ist es so weit: Es wird ein guter Tag, ein bunter, kämpferischer. Überall, wo wir Frauen arbeiten. Und wir arbeiten überall. Die Hälfte der Zeit ohne Lohn. Oder mit einem viel zu kleinen Lohn. Und mit definitiv zu wenig Anerkennung.
Ich habe die letzten Monate mit vielen Frauen geredet. Sie haben mir erzählt, wo der Schuh drückt:
- Was es für eine Industriearbeiterin heisst, am Morgen die Frühschicht anzufangen, und die Kinderkrippe ist erst um sieben Uhr offen.
- Was es für eine Verkäuferin heisst, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen bei überlangen Arbeitstagen und nicht endenden Ladenöffnungszeiten.
- Was es für eine Reinigungsfachfrau heisst, sich mit einem Kleinstpensum durchschlagen zu müssen, obwohl sie mehr arbeiten möchte.
FORDERUNGEN. In den sogenannten Frauenberufen ist die Diskriminierung heftig und dreifach: Die Löhne sind tief, die Arbeitszeiten lang und schwer planbar, die Arbeitspensen zu klein, und der Leistungsdruck wird immer grösser.
Deshalb fordern wir in allen Branchen Löhne und Arbeitspensen, die ein anständiges Leben garantieren. Geregelte und planbare Arbeitszeiten, die es ermöglichen, Familie, Privatleben und Beruf zu vereinbaren. Stop der Arbeit auf Abruf und der ständigen Erreichbarkeit! Wir fordern nichts weniger als Respekt für alle Frauen und ihre Arbeit.
Es geht um die grundsätzliche Frage, wie wir zusammen leben und arbeiten. Wie die bezahlte und unbezahlte Arbeit verteilt wird. Es geht darum, dass Männer endlich gleich viel Care-Arbeit übernehmen müssen. Wenn wir die Rechte der Frauen durchsetzen, dann profitiert davon die ganze Gesellschaft.
Unsere Geduld ist am Ende. Bereits die letzten Monate waren bewegt – und bewegend. Und ermutigend: wenn wir zusammenstehen, schaffen wir’s.
Ich wünsche allen einen Frauenstreiktag, den die Schweiz so schnell nicht vergessen wird!»