Immer noch verdienen Frauen im Schnitt rund 20 Prozent weniger als Männer. Das hat nicht mit der Arbeitsteilung zu tun, sondern mit dem, was bei den Chefs in den Köpfen ist.
DER FRAUENSTREIK MACHT KLAR: Es braucht endlich Lohngleichheit! (Foto: Freshfocus)
4335 Franken im Monat oder weniger für eine Vollzeitstelle: Das ist in der Schweiz ein Tieflohn. Sagt das Bundesamt für Statistik. Und es sagt auch: Vor allem Frauen müssen zu Tieflöhnen chrampfen. Jede sechste Frau in der Schweiz muss mit einem Tieflohn auskommen. Der kaum zum Leben reicht. Und immer noch verdienen die Frauen rund 20 Prozent weniger als die Männer. Das zeigen Berechnungen des Büros BASS für arbeits und sozialpolitische Studien (rebrand.ly/luxusferien). Pro Jahr macht das für jede erwerbstätige Frau im Schnitt minus 7800 Franken aus.
«Jaaa, aber», sagen jetzt diejenigen, die nichts von Lohndiskriminierung wissen wollen. «Jaaa, aber Frauen bekommen Kinder, arbeiten dann Teilzeit, haben darum weniger Erfahrung als Männer und steigen deshalb im Beruf weniger auf.» Kurz: Das Kinderkriegen sei der Grund für den Lohnunterschied und nicht die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Das ist falsch, zeigt jetzt eine neue und brisante Studie: Frauen erhalten bereits beim Einstieg in den Arbeitsmarkt generell tiefere Löhne.
Bereits am Anfang bekommen Frauen einen halben Monatslohn weniger als Männer.
DISKRIMINIERUNG VON ANFANG AN
Die Soziologin Benita Combet von der Uni München und ihr Kollege Daniel Oesch, Professor an der Uni Lausanne, haben die Daten von knapp 4800 Schweizerinnen und Schweizern ausgewertet. Alle waren zwischen 20 und 30 Jahre alt und hatten keine Kinder.
Um nicht Äpfel und Birnen zu vergleichen, berücksichtigten Combet und Oesch Unterschiede in der Ausbildung, der Berufserfahrung oder der Branche. Und stellten fest: Bereits in dieser frühen Phase des Berufslebens liegen die Frauenlöhne um 4,8 Prozent unter den Männerlöhnen. Macht pro Jahr einen halben Monatslohn. Oder zum Beispiel im Detailhandel: Ein Mann verdient 4072 Franken pro Monat, eine Frau 3851. Wohlgemerkt: Beide haben anderthalb Jahre Berufserfahrung, beide arbeiten in einem mittelgrossen Unternehmen im Kanton Zürich. Combet und Oesch schreiben Klartext: «Wer einzig Kindern und der Familie die Schuld an der Lohnungleichheit gibt, macht es sich zu einfach.» Woran liegt’s dann?
IM KOPF DER CHEFS
Combet und Oesch sagen: an den Köpfen. Und zwar an den Köpfen der Chefinnen und Chefs und Personalverantwortlichen. In der Schweiz gelte immer noch eine «soziale Norm, die den Männern auf dem Arbeitsmarkt Vorrang einräumt». So zeigen Experimente, dass einem Mann systematisch höhere Löhne angeboten werden als einer Frau, obwohl beide, abgesehen vom Geschlecht, identisch sind.
Das komme nicht von ungefähr, so Combet und Oesch: «Erst 1988 ist die Bestimmung aus dem schweizerischen Eherecht verschwunden, wonach der Mann «für den Unterhalt von Weib und Kind» zu sorgen habe. Wer also vor den 1990er Jahren geboren wurde, sei in einem Umfeld aufgewachsen, das den Mann offiziell zum Hauptverdiener erklärte.
Mit dieser «skandalösen Lohndiskriminierung» der Frauen muss jetzt definitiv Schluss sein, sagt Unia-Chefin Vania Alleva zum Auftakt der Lohnverhandlungen 2019. Und fordert neben den 2 Prozent mehr Lohn für alle zusätzlich noch 50 Franken mehr für die Frauen pro Monat. Alleva: «Jetzt muss endlich Frauenzahltag sein!»
Link zur Studie: rebrand.ly/lohnstudie