Jean Ziegler
Robert Mugabe verstarb 95jährig am 6. September in einem Spitalzimmer in Singapur, verbittert und einsam. «Comrade Bob», wie ihn seine Gefolgsleute nannten, wurde im November 2017 nach über dreissigjähriger Herrschaft als Präsident von Simbabwe gestürzt. Sein lange Jahre engster Kampfgefährte, Emmerson Mnangagwa, übernahm die Macht.
Mugabe verkündete 2003 eine Agrarreform. Damit ruinierte er das Land und beinahe auch meine Uno-Karriere.
DER BEFREIER. Mugabe wurde am 21. Februar 1924 in der katholischen Mission von Kutuma in der britischen Kronkolonie Südrhodesien geboren. Anfang der 1960er Jahre beteiligte sich der junge Lehrer am Aufbau der oppositionellen Zanu (Zimbabwe African National Union), die sich später in die marxistische Befreiungsbewegung verwandelte.
Die Polizei des Siedlerregimes steckte ihn zehn Jahre ins Gefängnis. Nach seiner Freilassung (1975) floh er ins benachbarte, eben befreite Moçambique. Von dort kommandierte er eine Befreiungsarmee, die das Terrorregime der weissen Siedler 1979 zu Friedens-
verhandlungen zwang. Es folgten zähe Verhandlungen mit der Kolonialmacht Grossbritannien, bis der souveräne Staat Simbabwe ausgerufen werden konnte. Die Befreier garantierten den Besitzstand der weissen Siedler, im Gegenzug versprach Grossbritannien Milliarden Pfund Entwicklungsgelder.
1980 wurde Mugabe in freien Wahlen Premierminister, dann 1987 Präsident. Er lancierte allseits gerühmte Kampagnen zur Alphabetisierung, Ernährung und Gesundheit. Dann verkündete er 2003 eine Agrarreform. Damit ruinierte er das Land, seinen Ruf – und beinahe auch meine Uno-Karriere.
Bis dahin waren zwei Drittel des fruchtbaren Landes in den Händen von 6000 weissen Grossgrundbesitzern. Demgegenüber lebten 7 Millionen landlose Bauern und ihre Familien im Elend. Grossbritannien hatte auch nach zwanzig Jahren die versprochene Entwicklungshilfe nicht geleistet.
GESCHEITERTE LANDREFORM. Die westlichen Regierungen warfen Mugabe vor, gegen die Verträge zur Unabhängigkeit zu verstossen. Ich war Sonderberichterstatter der Uno für das Recht auf Nahrung. Der damalige Generalsekretär Kofi Annan schickte mich nach Harare.
In seinem Büro erklärte mir Mugabe das Reformgesetz und die geplanten Entschädigungszahlungen. Er war unerhört energiegeladen und antwortete klar auf jede meiner Fragen. Noch vor meiner Abreise fragten mich Reporter der BBC nach der Agrarreform. «Sie ist legitim», antwortete ich. «England selbst hat durch seine Verweigerung der versprochenen Zahlungen die Verträge zur Unabhängigkeit gebrochen.» Eine Diffamierungskampagne, wie ich sie noch nicht erlebt hatte, brach los. Der US-amerikanische Uno-Botschafter verlangte meine sofortige Entlassung als Sonderberichterstatter. Doch Kofi Annan schützte mich.
Die Agrarreform endete im Chaos. Statt rechtlich geordneter Besitzübernahme und Entschädigung herrschten von nun an unsägliche Zustände der Gewalt und blinden Repression, der bodenlosen Korruption und des sozialen Elends. Mugabe regierte fortan über ein in Verzweiflung versinkendes Volk. Sein Nachfolger Emmerson Mnangagwa hat sich als unfähig erwiesen, die Lebensbedingungen zu verbessern. Deshalb ist zu hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler im nächsten Jahr die Gelegenheit erhalten, ihn davonzujagen.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein jüngstes in Deutsch erschienenes Buch heisst: «Was ist so schlimm am Kapitalismus? Antworten auf die Fragen meiner Enkelin».
Mit einer gewissen Neugier las ich Jean Zieglers Erinnerungen an Robert Mugabe. Neugierig deshalb, weil Ziegler seine alten Freunde, wie etwa den langjährigen jetzt zum Glück ehemaligen Algerischen Machthaber Ab-dal Aziz Bouteflika, auch noch dann bejubelt, wenn sich die Bevölkerung schon lange von ihnen abgewandt haben. Und tatsächlich, auch bei Mugabe bringt er es fertig, seine Entwicklug zum Diktator auszublenden. Mugabe, 1980 kaum an der Macht, hat die Opposition unterdrückt und wird für das Massaker, das seine Truppen 1982 in Matabeleland verübten, verantwortlich gemacht. Ab den 1990er riss er alle Macht an sich. Dass sich Ziegler in dieser „Erinnerung“ selbst als Opfer stilisiert, ist vielleicht die Erklärung für die auffällig reduzierte und einseitige Darstellung seiner alten Freunde.
Pfui Teufel, Ziegler, pfui Teufel.