Die reinste «Ausbeuterei» sei das gewesen, sagen die Servicemitarbeitenden Eric Berger* und Anita Wirz*. Doch sie wussten sich zu helfen. Mit Erfolg!
NACH DER BETRIEBSKONTROLLE: Servicemitarbeitende in einer Davoser Beiz arbeiten wieder mit besserer Laune, «weil wir wissen, dass es jetzt korrekt ist». (Foto: Foto: Marko Novkov / Eyeem / Getty)
Eric Berger freut sich: Seit dem Frühling konnte er schon dreimal Ferien machen, total vier Wochen. Und bald kommt nochmals eine Woche dazu. Das gab’s früher nie: Der Restaurantmitarbeiter musste ständig Überstunden machen, am Schluss hatte er 300 angehäuft. Abbauen konnte er sie nicht.
Auch seine Kollegin Anita Wirz, die im selben Restaurant in Davos GR arbeitet, sagt: «Da ist vieles nicht korrekt gelaufen. Es war eine Ausbeuterei!» So hätten sie die Einsatzpläne viel zu knapp erhalten: Immer erst am Sonntag erfuhren sie, wie sie ab Montag arbeiten mussten. Und die Löhne kamen auch immer erst nach Ende Monat. Berger sagt: «Ich will meine Rechnungen pünktlich bezahlen. Aber wenn ich den Lohn erst am 10. des nächsten Monats erhalte, kommen schon die ersten Mahnungen.»
Diesen Frühling dann hatten Berger und Wirz die Nase endgültig voll: «So geht das nicht weiter!» beschlossen sie und wandten sich an die Unia. Die Gewerkschafterin Angela Thiele von der Unia Rhätia-Linth klärte den Fall ab und reichte eine Verbandsklage bei der Aufsichtskommission ein (siehe Kasten rechts). Ab da ging alles schnell: Schon vier Wochen später kam eine Kontrolleurin ins Restaurant. Und sie war hartnäckig.
«Der Betrieb erfährt nicht, wer die Kontrolle veranlasst hat.»
DER CHEF IST GEFORDERT
Anita Wirz erzählt: «Sie ging zum Chef ins Büro und blieb fast den ganzen Morgen dort.» Einmal sei der Chef rausgekommen und habe geseufzt, die Kontrolleurin wolle alles ganz genau wissen. Recht so, dachte Wirz – aber sie hockte aufs Maul: «Ich wollte dem Chef nicht auf die Nase binden, dass wir die Kontrolle veranlasst haben.»
Unia-Frau Thiele bestätigt: «Bei einer Verbandsklage erfährt der Betrieb nicht, wer die Kontrolle veranlasst hat. Leider wissen viele nicht, dass es diese Möglichkeit gibt.» Die Aufsichtskommission ist nämlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Für Wirz und Berger war das wichtig. Beide sind überzeugt: Sonst wären sie ihren Job jetzt los.
Stattdessen freuen sie sich, dass sich seit der Kontrolle vieles gebessert hat. Sie können endlich Überstunden abbauen, die Löhne kommen früher, die Arbeitspläne auch. Zwar noch nicht zwei Wochen im voraus, wie es der Gesamtarbeitsvertrag vorsieht. Aber Berger sagt: «Die Richtung stimmt.»
ZU VIEL GEARBEITET
Die Kontrolle brachte auch ans Licht, dass die Mitarbeitenden zu Unrecht 43,5 Stunden pro Woche chrampfen mussten. Das geht nur mit einer Bewilligung als Saisonbetrieb – und die hatte das Davoser Restaurant nicht. Ohne diese Bewilligung sind maximal 42 Stunden erlaubt. Jetzt bekommen alle die zu viel gearbeiteten Stunden gutgeschrieben.
Berger lacht und sagt: «Jetzt gehen wir mit einer besseren Laune arbeiten. Weil wir wissen, dass es jetzt korrekt ist.»
Betriebskontrollen: So geht’s
Exakt 5223 Restaurants und Hotels hat die Aufsichtskommission für den Landes-GAV des Gastgewerbes 2018 kontrolliert. Neben Stichproben und Nachkontrollen wird die Kommission auch aufgrund von Klagen aktiv. Und stellt immer wieder Verletzungen des GAV fest: bei den Stichproben bei rund einem Drittel der Betriebe, bei den Klagen sogar bei der Mehrheit. Klagen können Mitarbeitende im Gastgewerbe entweder als Privatpersonen oder, wenn sie Unia-Mitglieder sind, via die Unia. Letzteres hat den Vorteil, dass ihre Angaben vertraulich behandelt werden.
KLAGE. Und so geht’s: Nehmen Sie mit Ihrer Unia-Sektion Kontakt auf. Die Unia wird Sie um Belege bitten, etwa Lohnausweise oder Einsatzpläne, und diese prüfen. Ist der GAV verletzt, reicht die Unia die Klage ein, und der Betrieb wird kontrolliert. Alle Branchen und Betriebe mit GAV haben übrigens eine Aufsichtskommission, die die Einhaltung des GAV überwacht. Das Vorgehen ist je nach GAV etwas unterschiedlich. Auch hier gilt: Wenden Sie sich an Ihre Unia-Sektion.