Die Klimabewegung ruft zum Massenstreik auf. Erstmals richtet sich der Aufruf nicht mehr bloss an Schülerinnen und Schüler, sondern an die gesamte werktätige Bevölkerung.
STREIK FÜR DIE ZUKUNFT: Die Klimabewegung will Arbeiterinnen und Arbeiter mit ins Boot holen. (Foto: ZVG)
Wenn die Jugend politisiert, geht es rassig voran. So auch nach der historischen Klimademo vom 28. September, an der gegen 100’000 Menschen jeden Alters die Berner Innenstadt lahmlegten. Bloss sieben Tage später gelangte die Klimabewegung mit ihrem neusten Vorhaben an die Öffentlichkeit: dem «Strike for Future» – einem schweizweiten Massenstreik, terminiert auf Freitag, den 15. Mai 2020. Im Unterschied zu bisher soll dieser Freitagsstreik nicht mehr bloss für leere Schulbänke sorgen, sondern die gesamte lohnarbeitende Bevölkerung ansprechen. Deshalb hat die Klimajugend mit ihrem Vorhaben jetzt auch bei den Gewerkschaften angeklopft. Bei der Unia, dem VPOD, dem SEV sowie dem Zürcher und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Konkrete Beschlüsse liegen aber noch keine vor. Nico Lutz aus der Unia-Geschäftsleitung sagt: «Wir unterstützen die Ziele des Klimastreiks grundsätzlich und sind offen für die Diskussion.» Er gibt aber auch zu bedenken, dass politisch bereits sehr viel los sei rund um den 15. Mai. So der Tag der Arbeit am 1. Mai und voraussichtlich am 17. Mai die Abstimmung über die SVP-Kündigungsinitiative.
«Wir werden in die Betriebe gehen.»
Warum aber braucht es nach der Berner Megademo eigentlich auch noch einen Grossstreik? work hat bei Dominik Waser nachgefragt. Der Zürcher Landschaftsgärtner ist bei «Klimastreik Schweiz» in der Vorbereitungsgruppe für den Mai-Streik. Er sagt: «Eine Demonstration kann man viel einfacher ignorieren als einen Streik.» Das habe die Berichterstattung nach der Berner Klimademo gezeigt: «Weder am Sonntag noch am Montag gelangte diese historische Demonstration auf die Titelseiten der Schweizer Presse!» Falls die Schweiz jetzt ein grüneres und sozialeres Parlament wählt, würde diese Wende im Bundeshaus denn nicht reichen? Gärtner Waser: «Das wäre zwar wichtig, doch nein.» Damit es klimarettende Massnahmen treffe, brauche jedes Parlament den Druck aus der Bevölkerung. Er und seine Mitstreitenden haben deshalb einen Plan ausgeheckt, wie der Streik von den Schulen in die Wirtschaft getragen werden kann.
VORBILD FRAUENSTREIK
Als Vorbild diene der Frauenstreik, sagt Wasers Kollegin Jelena Filipovic. Die Klimaaktivistin war auch am Frauenstreik dabei gewesen und sagt: «Eine wesentliche Stärke des 14. Juni waren die neuartigen und vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten.» Diese hätten es auch jenen Frauen ermöglicht mitzumachen, für die eine klassische Arbeitsniederlegung nicht in Frage gekommen sei. Das soll auch beim «Strike for Future» so sein. Auch bei der Mobilisierung orientieren sich die Klimaaktiven an der Frauenbewegung: Unter dem Namen «Workers for Future» sollen sich im ganzen Land unabhängige Gruppen von Berufstätigen bilden. Diese sollen eigenständig die lokalen Streikaktivitäten planen und allfällige betriebliche Forderungen und Lösungen erarbeiten. Bereits fanden am vergangenen Sonntag in Bern, Zürich, Lausanne und im Jura erste dieser Zusammenkünfte statt.
Unterstützung erhofft man sich zudem von den Gewerkschaften. Wie sich diese zum «Strike for Future» stellen werden, ist aber noch offen. So oder so ist für Landschaftsgärtner Waser klar: «Wir werden in die Betriebe gehen.» Möglich also, dass ein heisser Mai bevorsteht.