Mit Thurgauer Panzern und Schaffhauser Gewehren:
Chiles Präsident bodigt sein Volk mit Schweizer Hilfe

Millionen demonstrieren in Chile gegen das rechte Regime von Sebastián Piñera. Der Staatschef antwortet mit der Armee. Und die schiesst, wie schon ­während der Pinochet-Diktatur, mit Schweizer Waff­en.

BRUTAL: Chilenische Soldaten richten Sturmgewehre SG 540, eine Schweizer Erfindung, auf Protestierende. (Foto: Juan Gonzalez / Reuters)

Es war eine Statistik des Grauens, die das chilenische Nationale Institut der Menschenrechte (INDH) am vergangenen Sonntag präsentierte. Seit Beginn der Massenproteste gegen die rechte Regierung von Präsident Sebastián Piñera (siehe Artikel unten) verzeichnete das Institut: 3192 Verhaftete, 1092 Hospitalisierte, 546 Angeschossene, 126 Augenverletzungen, 17 Fälle von sexua­lisierter Folter, 19 Tote – davon mindestens 5 Erschossene – sowie zwei verschwundene Personen.

Diese Bilanz geht auf das Konto der chilenischen Staatsgewalt. AufGeheiss des Milliardärs Piñera geht sie mit äusserster Brutalität auf das protestierende Volk los. «Wir sind im Krieg gegen einen mächtigen Feind», tönte der Präsident entsprechend im Fernsehen. Während die Polizei mehrheitlich mit Gummiknüppeln, Wasserwerfern und Tränengas hantierte, rollte die Armee auf Panzern heran. Und zwar auf solchen des Typs «Piranha» – eine Entwicklung des Kreuzlinger Rüstungsbetriebs Mowag. Verschanzt hinter diesen Fahrzeugen schossen die Soldaten in die Menge. Mit ­Maschinengewehren, Schrotflinten und dem Sturmgewehr SG 540. Auch dieses ist eine helvetische Entwicklung. Die Schweizerische Industriegesellschaft (SIG) aus Neuhausen am Rheinfall stellte es erstmals im Jahr 1977 her. Allerdings sind die aktuell zum Einsatz kommenden Kriegsgeräte chilenische Produkte. Und das hat mit der Diktatur des faschistischen Generals Augusto Pinochet (1973–1990) in Chile zu tun.

«Wir sind im Krieg gegen einen mächtigen Feind.»

KOMPLIZENSCHAFT

Am 11. September 1973 putschte das chilenische Militär mit Hilfe der USA gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Die Schweiz sah sich in der Folge ­gezwungen, Kriegsmaterialexporte nach Chile zu verbieten. Der Mowag und der SIG passte dies gar nicht, denn sofort nach seiner Machtübernahme gab Diktator Pinochet bei ­ihnen Millionenbestellungen auf. Doch die Waffenschmieden wussten sich zu helfen. Im Jahr 1980 erteilte die Mowag der chilenischen Armee die Lizenz, den Schweizer Panzer einfach selbst zu bauen. Wenig später zog die SIG nach und lieferte neben einer Lizenz zum Gewehrbau auch die dazu nötigen Maschinen. Der Bundesrat schützte diese Praxis unter Verweis auf die Handelsfreiheit. Für die Schweizer Unternehmen brachte die Auslagerung einen lukrativen Vorteil: Via Chile konnten sie fortan auch mit anderen rechten Diktaturen Waffengeschäfte abwickeln.

Auch Pinochet frohlockte. Sein Terrorregime stieg wegen dieser Dreiecksgeschäfte zum drittgrössten südamerikanischen Waffenexporteur auf. Als Dank deponierte der für seine Verbrechen nie verurteilte General seine Millionen auf sicheren Schweizer Bankkonten.


Massenproteste Weg mit ­Pinochets Erbe!

Seit dem 14. Oktober kommt Chile nicht mehr zur Ruhe. Ausgelöst durch eine Erhöhung der U-Bahn-Ticketpreise, ­richteten sich die ­Massenproteste bald ­gegen den chilenischen Marktradikalismus an sich. Nach einer beispiellosen Privatisierungs- und Deregulierungswelle ­unter ­Diktator Augusto Pinochet sowie unter den Nachfolge­regierungen herrscht im Andenstaat extremste soziale Ungleichheit. Die Hälfte der Bevölkerung muss zu Armutslöhnen chrampfen.

VOLLGAS. Vorläufiger ­Höhepunkt der Protestwelle war eine 1,2-Millionen-Demonstration in der Hauptstadt Sant­iago. Darauf versprach Präsident Sebastián Piñera verschiedene Reformen und wechselte sein ­Kabinett aus. Doch die Bewegung ist nicht mehr zu stoppen. Sie fordert Piñeras ­Rücktritt und eine neue Verfassung. Denn die ­aktuelle stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur.

4 Kommentare

  1. Globi 5. Dezember 2019 um 12:38 Uhr

    Unglaublich das in der heutigen Zeit so etwas noch erlaubt ist. Leute, die so etwas unterstützen gehören lebenalang hinter Gitter. Dies entspricht absolut nicht dem heutigen Zeitgeist.

  2. Peter Bitterli 10. November 2019 um 22:38 Uhr

    Ach so, kein linkspopulistischer Text, der perfide zwischen Pinochet und Gegenwart wechselt? Ja dann, wenn mein entsprechender Kommentar wegzensiert wird, werde ich mich wohl getäuscht haben. QED

  3. Peter Bitterli 4. November 2019 um 13:15 Uhr

    Jaja, blabla, Pinochet-Diktatur, und schon stimmt das Feindbild wieder. Ein „Regime“ natürlich, auch wenn es sich um einen gewählten und abwählbaren Präsidenten handelt. Wie dumm ist denn das! Klar, alles, was rechts von der Unia steht, ist Nazi. Dass die chilenischen Demonstranten genau wie die gelben Franzosen gegen grün bedingte Energiepreiserhöhungen protestieren, ist dann gleich ganz egal.

    • Daniel Imhof 7. November 2019 um 12:38 Uhr

      Hey Peter Bitterli, der Typ lässt auf Menschen schiessen und nimmt Tote in Kauf – was bitte funktioniert in Ihrem Oberstübchen nicht richtig, dass Sie sowas umdrehen und den Demonstrierenden quasi Selbstschuld unterstellen? Selber BlaBla, und zwar massiv.

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