Bauarbeiter Adão Costa aus Portugal kann feiern. Zwei Jahre lang hat er gemeinsam mit der Unia um seine Niederlassungsbewilligung gekämpft, die ihm zusteht. Doch das Migrationsamt in Sitten stellte sich quer.
SAUDE! Nach Feierabend stösst Adão Costa aus Portugal auf seine neu erstandene Niederlassungsbewilligung an. (Foto: Matthias Luggen)
Bauarbeiter Adão Costa hatte die Hoffnung schon fast verloren. Doch Mitte November kam endlich die Erlösung: Er erhält den C-Ausweis, auf den er eigentlich längst ein Anrecht hätte. Und damit ein Stück mehr Sicherheit. Denn: Nach vierzehn Jahren in der Schweiz kann er sein Leben hier zum ersten Mal wirklich planen. Ohne die dauernde Sorge, irgendwann plötzlich vor dem Nichts zu stehen.
EINSAM UND TEMPORÄR
Als Costa seine Heimat Portugal verlässt, ist sein Sohn noch klein. Und seine Tochter noch nicht einmal geboren. Costa selbst ist in einer armen Familie aufgewachsen. Er erinnert sich: «Als Kind musste ich barfuss zur Schule.» Als er selber Vater wird, ist für ihn klar: Seiner eigenen Familie will er ein besseres Leben bieten. Doch die Löhne in Portugal sind tief. Also geht Bauarbeiter Costa ins Ausland. Zuerst nach Deutschland, danach in die Schweiz. Seine Frau und die beiden Kinder sieht er von da an nur noch vier Mal im Jahr. Doch Costa sagt: «Alles was ich tue, tue ich für sie.»
Als der Büezer 2005 in die Schweiz kommt, wird er als Kurzaufenthalter registriert und bekommt einen L-Ausweis. Weil er einen Arbeitsvertrag hat, der nicht länger als 12 Monate dauert. Doch nach der ersten befristeten Stelle bekommt Costa die nächste. Er zieht in eine Wohnung nach Visp. Zahlt Miete und Krankenkasse. Jeden Morgen um 6 Uhr fährt Costa auf die Baustelle. Was er genau macht? «Alles», sagt Costa. Was eben gerade so anfällt: Strassenbau, Schalungen, schaufeln und pickeln. Die Arbeit auf dem Bau sei streng. Aber: «Die Arbeit kann noch so hart sein: das Schlimmste ist die Einsamkeit, das Leben ohne die Familie.» Dazu kommt die tägliche Unsicherheit. Costa sagt: «Mit einer L-Bewilligung bist du immer temporär.» Bis zu vier Mal im Jahr muss er diese Bewilligung neu beantragen.
«Das Amt hat gehofft, dass wir aufgeben. Aber es hat sich geirrt!»
ES HAT SYSTEM
Aus Costas ersten Monaten in der Schweiz werden schliesslich Jahre. Doch sein Aufenthaltsstatus ändert sich nie. Einmal beantragt der Bauarbeiter zwar einen B-Ausweis (als Vorstufe zum C-Ausweis). Damit könnte er eine Aufenthaltsbewilligung für 5 Jahre bekommen. Aber das Walliser Migrationsamt prüft das Gesuch nicht einmal – und stellt Costa einfach wieder eine kurze L-Bewilligung aus.
Bei der Unia Wallis weiss man: So ergeht es im Aprikosenkanton praktisch allen, die ein Gesuch stellen. Das Problem sind aber nicht nur die Behörden, sondern oft auch die Firmen.
Eine, die das weiss, ist Ex-Unia-Sekretärin Clara Sofia de Matos Carvalho. Sie hat Costa und viele andere Arbeiter im Wallis begleitet und erklärt: «Die meisten Menschen sind nur für die Saison angestellt. Und wenn sie doch einen längeren Arbeitsvertrag haben, dann dauert er genau 363 Tage.» Und das bedeute: Es fehlen zwei Tage für die Jahresstelle, die sie brauchten, um schon mal eine B-Bewilligung zu beantragen. Für de Matos ist klar: «Das hat System.»
Schliesslich probiert es Adão Costa noch auf einem anderen Weg. Denn von Unia-Frau de Matos erfährt er: Vor fast 30 Jahren haben die Schweiz und Portugal eine Vereinbarung unterschrieben. Die besagt: Wer mindestens 5 Jahre lang ordnungsgemäss und ununterbrochen im jeweils anderen Land lebt und arbeitet, hat das Recht auf eine C-Bewilligung. Und zwar auch dann, wenn er vorher nur eine L-Bewilligung hatte (siehe Box).
DER WEG DURCH DIE ÄMTER
Im Februar 2018, kurz vor seinem Geburtstag, reicht Costa dieses neue Gesuch ein. Die Unia unterstützt ihn, der Zürcher Anwalt Marc Spescha übernimmt den Fall. Das Walliser Migrationsamt soll den Antrag prüfen. Doch dort passiert erst einmal: nichts.
Als nach Monaten immer noch keine Antwort da ist, droht Spescha mit rechtlichen Schritten. Da vermeldet das Amt: Ein Wechsel von der L- direkt auf die C-Bewilligung sei nicht möglich. Dass es ein rechtlich verbindliches Abkommen gibt, ignoriert die Behörde. Sie macht sich zuerst nicht einmal die Mühe, eine formal korrekte Absage zu schicken.
Von da an beginnt der steinige Weg durch die Instanzen. Erst über ein Jahr nach der Gesuchseingabe befiehlt der Walliser Regierungsrat dem Migrationsamt endlich: Es müsse Costa die C-Bewilligung erteilen.
Das letzte Wort hat allerdings das Staatssekretariat für Migration (SEM). Die Walliser Behörde muss das Gesuch nach Bern schicken. Doch wieder bummelt das Migrationsamt. Erst nach drei weiteren Monaten sind die Akten endlich da. Das SEM gibt grünes Licht. Für Costa ist das die Erlösung. Er sagt: «Von mir ist eine riesige Last gefallen.»
Zwar durfte er seinen neuen Ausweis bis jetzt noch nicht in den Händen halten. Das Migrationsamt lässt ihn weiter zappeln. Doch eines ist jetzt sicher: Die Walliser Behörden müssen ihm das Papier aushändigen – ob es ihnen passt oder nicht. Das freut auch Ex-Unia-Sekretärin de Matos. Sie erklärt lachend: «Das Amt hat vermutlich gehofft, dass wir aufgeben. Aber da haben sie sich geirrt!»
DER ERFOLG
Für Adão Costa und die Unia ist es ein wichtiger Sieg. Auch wenn es dem Büezer selbst nur noch begrenzt nützt. Denn: In fast zwei Jahren kann er sich pensionieren lassen. Als Bauarbeiter profitiert er von der Frührente mit 60. Trotzdem freut sich Costa. Denn sein Fall macht klar: Die zwischenstaatliche Vereinbarung gilt. Und damit können nun andere Arbeitsmigrantinnen und -migranten im Wallis hoffen, ohne Umweg eine C-Bewilligung zu bekommen.
Und worauf freut sich der künftige Rentner am meisten? Er sagt: «Auf die Familie.» Sein Sohn ist inzwischen 29 und Elektroingenieur. Die 20jährige Tochter macht eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Costa sagt: «Dank der Arbeit in der Schweiz konnte ich meinen Kindern ein Studium ermöglichen.» Doch er weiss auch: Die Jahre ohne den Vater waren auch für sie hart. Zwar hätten sie jeden Tag miteinander telefoniert und seien in den Ferien zusammen gewesen. Aber: «Nichts kann die Zeit, die wir nicht zusammen verbrachten, wettmachen.»
C-Ausweis: So funktioniert’s
Die Niederlassungsbewilligung C ist der höchste Aufenthaltstitel für Migrantinnen und Migranten in der Schweiz (vor der Einbürgerung). Im Gegensatz zur kurzen L-Bewilligung und zur längeren B-Bewilligung garantiert sie ein unbegrenztes und uneingeschränktes Aufenthaltsrecht.
VON L AUF C – OHNE B. Vom tiefen L direkt auf ein hohes C? Das scheint auf den ersten Blick unmöglich. Aber es geht. Dann nämlich, wenn die betroffene Person aus einem der
17 Staaten kommt, mit denen die Schweiz sogenannte Niederlassungsvereinbarungen hat. Sie halten explizit fest: Wer fünf Jahre ununterbrochen in der Schweiz gelebt und gearbeitet, keine Schulden und strafrechtlichen Verurteilungen sowie keine Sozialhilfe bezogen hat, hat ein Anrecht auf eine C-Bewilligung. Egal, ob vorher ein L oder ein B im Ausweis stand.
Im Fall von Adão Costa aus Portugal wurde dieses Recht nun durchgesetzt. Unia-Migrationsfachfrau Marília Mendes rät: «Wer schon mehrere Jahre mit einer L-Bewilligung in der Schweiz lebt, sollte sich unbedingt informieren.» Entweder beim kantonalen Migrationsamt oder beim zuständigen Unia-Sekretariat in der Region.