Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
«Wir haben diskutiert, gestritten, gelacht, Entscheide gefällt, manchmal gelitten, reorganisiert, Neues gelernt und viel gearbeitet.» Dieser Satz aus den Weihnachtsgrüssen der BZR, Briefzustellregion, an ihr Personal ist bei der Briefträgerin hängengeblieben. Er unterscheidet sich vom üblichen «die Post ist gut unterwegs, dank Euch». Wieso? Der Satz könnte aus dem Jahresbericht eines selbstverwalteten Betriebes stammen, denkt die Briefträgerin. Er ist persönlich, tönt nach Freiraum, nach Mitbestimmungsmöglichkeiten.
SPLITTER-KONZERN. Die Post ist aber kein selbstverwalteter Betrieb. Sie ist nicht einmal mehr ein Staatsbetrieb, der nicht rentieren muss und dessen Bereiche einander quersubventionieren dürfen. Die Post ist ein Konzern. 1997 wurde die damalige PTT aufgesplittert in die Bereiche Swisscom und die Schweizerische Post, die weiterhin für Personentransporte, Brief- und Paketsendungen sowie Finanzdienstleistungen zuständig war. Wurde die Swisscom schon damals eine «spezialgesetzliche Aktiengesellschaft», geschah dasselbe mit der Schweizerischen Post 2012: Sie wurde zur AG, deren einziger Aktionär der Bund ist. Immerhin.
EIGENWILLIG. Seither geht es bei der Post – einem Unternehmen mit Service-public-Auftrag – wie in der Privatwirtschaft ums Geldverdienen. Ums Gewinnerwirtschaften. Das Zauberwort heisst Effizienz.
«Wir haben diskutiert, gestritten, gelacht» – das tönt schön. Die Briefträgerin hat solchen Freiraum nie erlebt. Die Durchsagen erfolgen von oben, unten wird ausgeführt. Punkt. Ah, nein, kürzlich wies der Chef sie auf einige ihrer eigenwilligen Arbeitsabläufe hin, schloss aber, er sehe keine Notwendigkeit, einzuschreiten.