work-Kommentar:
Italien nach den Wahlen: Die Katastrophe gerade noch mal knapp abgewendet

Oliver Fahrni.

Politische Siege soll man feiern, das ist wichtig für die Psyche. Und für die Politik danach. Italiens ­«Sardinen», die antifaschistische Bürger­bewegung, feierten ihren Sieg ­standesgemäss mit Pasta con le sarde (Nudeln mit Sardinen). Am 26. Januar haben sie dem rechts­extremen Lega-Chef Matteo Salvini bei den Wahlen in der Region ­Emilia-Romagna eine herbe Niederlage zugefügt.

SALVINI WILL DIE MACHT ALLEIN. Wie aus dem Nichts waren die Sardinen im Spätsommer 2019 aufgetaucht und hatten seither viele Hundert­tausend Menschen in Volksfesten auf 142 Plätzen in Italien (und Europa) gegen die Rechte mobilisiert. Salvini wollte mit einem Sieg in der Region um Bologna die Regierung in Rom stürzen und Neuwahlen erzwingen. Er hätte gute Chancen, in Italien die Macht zu übernehmen. In landes­weiten Umfragen liegt er mit über 30 Prozent vorne. Nun ist die Kata­strophe gerade noch abgewendet, und die linke Zeitung «Il Manifesto» titelte: «Die demokratischen Anti­körper gewinnen.»

Die braucht das Land. Was Italien mit Salvini blüht, lässt sich an seiner Zeit als Innenminister ablesen. Bei den Wahlen 2018 machte Salvinis Lega 17 Prozent der Stimmen. Das reichte für eine Koalition mit der Wahlsiegerin, der 5-Sterne-Be­wegung (M 5 S). Doch obschon diese doppelt so viele Stimmen wie die Lega gemacht hatte, spielte Salvini Regierungschef Giuseppe Conte an die Wand – mit rassistischen Pro­vokationen, brutaler Anti-Immi­grations-Politik und nationalistischen Ausfällen. Mussolini-Ver­ehrer Salvini will alle Macht allein, um Parlament und Verfassung auszuhebeln. 2019 versuchte er seinen Coup und kündigte die Koalition auf. Doch statt Neuwahlen gab es eine neue Koalition. Conte rief am 4. September eine Regierung mit der Linken vom ­Partito Democratico (PD) aus.

Der Partito Democratico braucht jetzt ein linkes, soziales Programm.

DI MAIO OHNE KRAWATTE. Nun scheiterte auch Salvinis zweiter Coup: Die Sardinen trugen in der Emilia-Romagna den PD-Mann Stefano Bonaccini zum Wahlsieg über ­Salvinis Kandidatin Lucia Borgonzoni – mit fast 8 Prozentpunkten Vorsprung. Und sie versprachen Salvini, ihm in allen Städten und Regionen vor der Sonne zu stehen. Bald wird in Kampanien und in der Toscana, in Apulien, in den Marken, in Ligurien und in Venetien gewählt.
Die Lage von Italiens Demokratie bleibt fragil. Die 5-Sterne-Bewegung, vor wenigen Monaten noch erste Partei im Land, ist in der Emilia-Romagna und in Kalabrien völlig eingebrochen. Drei von vier Wählern und Wählerinnen haben vom M 5 S zum PD gewechselt. Wichtige ­Figuren haben sich verabschiedet. Demonstrativ zog 5-Sterne-Parteichef Luigi Di Maio an einer Partei­versammlung seine Krawatte aus.

Aussenminister aber bleibt er. PD-Parteichef Nicola Zingaretti war klug genug, in Rom das Bündnis mit den 5 Sternen zu bekräftigen. Denn der PD selbst ist nach Jahren des Regierens und neoliberaler Ver­irrungen, etwa mit Matteo Renzi (2014 bis 2016), stark diskreditiert. Vor Renzi regierte die Partei in sechzehn Regionen, danach gerade noch in sechs.

Eine Sache müssten die Linken nun von den Sardinen lernen: Um den Neofaschisten Salvini zu stoppen, brauchen sie schnell ein linkes, ­soziales Programm. Wie sagen die Sardinen: «Wir sind wie der Sauerstoff, aber allein genügen wir nicht.»

2 Kommentare

  1. Peter Bitterli 31. Januar 2020 um 21:18 Uhr

    „Eine Sache müssten die Linken nun von den Sardinen lernen: Um den Neofaschisten Salvini zu stoppen, brauchen sie schnell ein linkes, ­soziales Programm.“ Interessante Feststellung, bestechende Logik. Die sogenannten „Sardinen“, die ja bekanntermassen gar kein Programm haben, lehren also die Linken, ein linkes Programm zu haben. Also eines wie die „Sardinen“? Also eine Luftnummer? Also das lächerliche Zumarktetragen der totalen Inhaltsleere und Analysenabsenz als Programm? Aber soweit ist doch die „Linke“ längst!
    Im übrigen hat die Linke in der Emilia sich nicht deswegen gerade noch in einen Zittersieg geschleppt, weil ein paar Leute Freude daran haben, mit Sardinenplakaten auf Plätzen rumzustehen und anschliessend originellerweise („standesgemäss“) Sardinen zu verspeisen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: In der Emilia stehen so viele Leute mit Sardinenplakaten rum, weil dort die Linke vor Jahrzehnten mal wirklich Siege errang. Die Wahlen massiv gewonnen haben diesmal ganz Andere.

  2. Peter Bitterli 31. Januar 2020 um 11:02 Uhr

    Gewohnte Traumtänzereien, Pfeifen im Walde, Phrasendonner, Wunschdenken. „Sardinen“! Was soll das schon sein?
    „Bald wird in Kampanien und in der Toscana, in Apulien, in den Marken, in Ligurien und in Venetien gewählt.“ Eben.

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