Laden des Lächelns

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Coop verstösst regelmässig gegen das Arbeitsgesetz. Und wird nicht gebüsst. Das enthüllte der «Blick», und work zeigt das interne Dokument, das den Skandal belegt. Und auch wenn Coop-Personalchef Luc Pillard nun alles runterspielt («Wir bewegen uns auf tiefem Niveau»), bleibt es doch ein Skandal. Denn work weiss: Bereits 2014 machte Coop in derselben Sache Negativschlagzeilen. Und versprach damals, künftig «Nulltoleranz» walten zu lassen. Offenbar ein leeres Versprechen. Mehr noch: Solche Verstösse werden wohl noch zunehmen. Nicht nur bei Coop. Denn die Ladenöffnungszeiten im Detailhandel werden immer länger, aber der Personalbestand wächst nicht mit. Unia-Mann ­Arnaud Bouverat sagt im work-Interview: «Es ist offensichtlich: Die Coop-Verantwortlichen kalkulieren mit zu wenig Personal.»

Feudal geht es im Detail­handel zu.

KALKÜL. Lächeln, lächeln, lächeln, auch wenn Arbeitslast und Zeit drücken. Das verlangen die Chefs von den Verkäuferinnen. Auf der schiefen (Konkurrenz-)Bahn gegen den Onlinehandel gebe es schliesslich keinen Halt. Dann sollen sie halt auch noch die andere Backe hinhalten, wenn die Kundschaft flucht und tobt! Und das tut sie häufig, wie ein neuer Forschungsbericht der Uni Bern belegt (rebrand.ly/forschungs­bericht). Kein Respekt, kein Anstand, nicht mal ein Gruss, weil Mann und Frau selbst an der Kasse die Soundstöpsel nicht rausnehmen. Als wären die Verkäuferinnen gar nicht da.

Richtig feudal geht es im Detail­handel zu. Die Verkäuferinnen und Verkäufer sind die Untertanen – und der Kunde ist König. Das Kapital der Kaiser, während die Textilarbeiterinnen in Bangladesh die Leibeigenen sind. Und auch mal in den Flammen verbrennen, weil der Fabrikherr nix Brandschutz, weil Preisdruck aus Westen, weil Modeketten-Boss reich mit Billig, weil Kundin Königin. Und sie nur 5 Franken für ein T-Shirt zahlen will. Das sie bei Nichtgefallen in der Umkleidekabine dann einfach in eine Ecke schmeisst. Also lächeln die Verkäuferinnen und räumen auf. Was sollen sie sonst tun?

MUT. Einen 5-Minuten-Streik erfinden, zum Beispiel. Wie Coop-Verkäuferin Susanna Keller (57). Am 14. Juni trug sie den Frauenstreik in ihre Filiale in Lengnau BE hinein – und alle machten mit. Oder das Referendum gegen längere Ladenöffnungszeiten ergreifen. So wie Anne-Lise Rielli (49), Jeanne d’Arc Dumartheray (62), Célia Brodard (25). Sie sind drei von siebzig Verkäuferinnen und Verkäufern, die in Nyon VD eine Abstimmung gewannen (diese Seite). Und jetzt nicht noch länger chrampfen müssen. Das braucht Mut und Glut in einer Branche, in der Frauen sich eher ducken als mucken. Deshalb hat ihnen die Unia jetzt den Prix Engagement verliehen.

Chapeau, wir gratulieren!

1 Kommentare

  1. Alain 3. Februar 2020 um 19:35 Uhr

    Hallo,

    Den Link mit dem Forschungsbericht von der UNI Bern funktioniert bei mir nicht: „Link not found“ vielleicht müsst ihr den nochmals kontrollieren.

    Ich habe rund 10 Jahre im Verkauf gearbeitet. Zuerst als Verkäufer, dann im Kundenservice (Reparaturannahme) . Ich habe von Morddrohungen über üble Beschimpfungen, auch unter die Gürtellinie mir alles anhören müssen. Da wirst du behandelt wie Menschen 2. Klasse.

    Aber dass ist nicht nur im Verkauf so, jetzt arbeite ich als First Level Supporter bei einer Taiwanesische Computerfirma. Da ist es auch nicht anders, du am Telefon oder im Laden bekommst halt den ganzen Frust auf einmal zu spüren. Oft oder meistens für Dinge für die du nichts kannst und du auch nicht ändern kannst.

    Freundliche Grüsse

    Alain

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