Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Zu Beginn ihrer Karriere bei der Post erhielt die Briefträgerin von ihrem damaligen Teamboss einen «Götti» zugeteilt, der sich ihrer vielen Fragen annehmen sollte.
Der Götti führte die Briefträgerin in die Schönheiten, Tücken und Geheimnisse des Berufes ein. Abgesehen von seiner ausgeprägten Leistungsorientierung war er ein tipptopper Lehrmeister. Von ihm lernte die Briefträgerin viel. Auch wie es früher gewesen war und wie es vermutlich herauskommen würde mit der Brieftragerei.
Es gibt auch den Gestank, der aus den Waschküchen wabert. Waschmittel und Weichspüler.
MAGENKNURREN. Gegen Mittag, als sie zusammen den Häusern entlang fuhren, sprach er aus, was die Briefträgerin halb unbewusst selber wahrnahm: «Das ist die schwierigste Tageszeit für das Zustellpersonal. Weil dann aus allen Fenstern Essensgerüche strömen.» In der Tat: Die Mägen der Gelben steigern ihr Knurren, wenn es von überall her nach Rösti, Eintopf, Gemüsecurry, Gebratenem und Gesottenem duftet, nach italienischen Kräutermischungen oder Kreuzkümmel.
Doch Wohlgeruch ist nicht das einzige, was der Briefträgerin unterwegs in die Nase sticht. Es gibt auch den Gestank, der aus den Waschküchen wabert. Waschmittel und Weichspüler. «Frischer Frühling», «Blumenwiese» – an solches denkt die Briefträgerin nur, weil sie die Werbung kennt. Ihre Geruchsnerven lösen ganz andere Assoziationen aus.
Kürzlich traf sie den Monteur in der Waschküche an. Während seiner Ausführungen zum richtigen Umgang mit den Maschinen riet er vom Gebrauch von Weichspülern ab. Diese könnten zur Vergrauung der Waschmaschine führen. Zudem würden sie aus Schlachtabfällen hergestellt. Aus Schlachtabfällen?! «Wenn das kein fake ist!? Es ist einer!»