Mit rund 57 Prozent Nein-Stimmen ist die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» am letzten Wahlsonntag gescheitert. Die Frage bleibt also aktuell: Was können Sie gegen überhöhten Mietzins unternehmen?
TEURES WOHNland: Für die Miete bezahlt fast jeder dritte Schweizer Haushalt mehr als einen Viertel des Einkommens. (Foto: Keystone)
Rund 30 Prozent der Schweizer Haushalte geben für die Wohnungsmiete mehr als den empfohlenen Maximalbetrag von einem Viertel des Lohns aus. Auf jeden Fall ein gewichtiger Posten im Budget, bei dem es sich lohnt, genauer hinzuschauen:
Fall 1: Claudia und Marco Mazzoni brauchten für sich und ihre zwei Kinder dringend eine neue Wohnung in der Stadt Bern. Nach langer Suche fanden sie gerade noch rechtzeitig Ersatz – allerdings zu einem Preis, der ihr Budget arg strapaziert. 2750 Franken brutto für vier Zimmer. Völlig überteuert, wie sie fanden, aber sie standen halt unter Zeitdruck. Anfang Februar sind sie eingezogen. «Können wir jetzt noch etwas unternehmen?» fragen sie sich.
Fall 2: Hugo Gubler ist vor fünf Jahren in seine 3-Zimmer-Wohnung in Aarau eingezogen. Er bezahlt 1600 Franken Nettomiete pro Monat. Kürzlich ist ihm wieder einmal sein Mietvertrag in die Hände geraten. Er bleibt bei der Stelle hängen, an der als Referenzzinssatz für die Berechnung des Mietzinses ein Wert von 2 Prozent genannt wird. «Was das wohl heisst?» fragt er sich.
SCHLUPFLÖCHER
Als «riesigen Staubsauger, der den Leuten das Geld aus der Tasche zieht», hat SP-Nationalrätin Jacqueline Badran den Mietmarkt beschrieben (Interview im work vom 17. Januar). 14 Milliarden Franken seien es pro Jahr, welche die Immobilienbesitzer an überhöhten Renditen abschöpften.
Aber die Schweiz hat doch ein Mietrecht! Tatsächlich, und es enthält sogar Regeln zum Schutz vor überhöhten Preisen. Die tönen gut – und nützen wenig, weil sie den Vermietern viele Schlupflöcher lassen. Was sogar der Bundesrat selber zugibt: «Die Entwicklung der Wohnungsproduktion in der Schweiz zeigt, dass das geltende Mietrecht kein Investitionshemmnis darstellt», hat er in seiner feinsinnigen Antwort auf eine freisinnige Interpellation 2015 wissen lassen.
MIETE ANFECHTEN
Bis 1970 kannte die Schweiz eine behördliche Mietpreiskontrolle – tempi passati. Heute müssen Sie gegen missbräuchliche Mietzinse selber vorgehen. Grund und Gelegenheit dazu besteht in diesen Situationen:
- Überhöhte Anfangsmiete. Vermieter nutzen einen Wechsel gerne, um den Mietpreis nach oben zu schrauben, ohne dass damit ein Mehrwert für die Nachmieter verbunden wäre. Der so erhöhte Mietpreis ist oft missbräuchlich. Sie können ihn innert 30 Tagen nach Mietantritt vor der Schlichtungsstelle (siehe Text unten) anfechten, wenn die Erhöhung erheblich ist (gemäss Mieterverband mehr als 10 Prozent). Die Anfechtung ist auch möglich, wenn Sie zum Abschluss des Vertrags aus einer persönlichen oder familiären Notlage gezwungen waren oder auf dem örtlichen Markt Wohnungsnot herrscht.
Claudia und Marco Mazzoni (Fall 1) können also während 30 Tagen nach Schlüsselübergabe ihren Anfangsmietzins anfechten. Zuerst sollten sie sich bei Nachbarn mit vergleichbaren Wohnungen im Haus und im Quartier nach deren Mietzinsen erkundigen; sie können zudem den Vermieter direkt fragen, was die Vormieter bezahlt hätten. Er ist zur Auskunft verpflichtet. Im Unterschied zu Bern schreiben andere Kantone den Vermietern vor, den Mietzins des Vormieters bekanntzugeben (Basel-Stadt, Nidwalden, Waadt, Zug und Zürich).
- Mietzinserhöhung. Teuerung, höhere Betriebs- und Unterhaltskosten oder Umbauten und Renovationen nutzen die Vermieter zur Erhöhung der Mietzinse. Grundsätzlich ist das ihr Recht – aber ist die Erhöhung angemessen oder missbräuchlich? Oft taxieren Vermieter Investitionen als wertvermehrend, die dem Unterhalt zuzurechnen wären, und versuchen, sie auf die Mieter zu überwälzen. Ob das bei Ihrer Wohnung der Fall ist, lässt sich von Laien schwer abschätzen. Tun Sie sich mit den anderen Parteien im Haus zusammen, und wenden Sie sich an eine Rechtsberatung, an den Mieterverband oder an die Schlichtungsstelle.
SENKUNG VERLANGEN
Zu unterscheiden gilt es die Mietzinsreduktion und die Zinssenkung. Eine Reduktion können Sie einfordern, wenn ein Mangel den Wohnwert beeinträchtigt. Klassische Beispiele sind ungenügende Beheizung oder Feuchtigkeitsschäden. Billigt der Vermieter die Reduktion nicht, müssen Sie Beweise sammeln und den Fall der Schlichtungsstelle vorlegen.
Eine Mietzinssenkung haben Sie grundsätzlich dann zugute, wenn der für die ganze Schweiz gültige Referenzzinssatz für Hypotheken heruntergesetzt wird und Sie nicht in einer subventionierten Wohnung leben – dort gelten andere Regeln. Dieser Referenzzinsatz ist in den vergangenen zehn Jahren von 3 Prozent auf heute 1,5 Prozent gesunken. Faustregel: Pro Viertelprozent weniger Zins muss die Miete um rund drei Prozent fallen. Allerdings dürfen die Vermieter die Teuerung und höhere Kosten aufrechnen. Oft nehmen sie die Senkung nicht von sich aus vor, und Sie müssen diese selber einfordern. Verwenden Sie dazu den Musterbrief des Mieterverbands: rebrand.ly/senkung.
Sehen Sie jetzt in Ihrem Mietvertrag nach: Beruht er auf einem höheren als dem aktuellen Referenzzinssatz, können Sie die Senkung auch jetzt noch fordern. So wie Hugo Gubler (Fall 2) das nun tun wird. Das halbe Prozent Differenz beim Referenzinssatz von Anfang 2015 zum heutigen Satz von 1,5 Prozent wird ihm zu einer um rund 90 Franken tieferen Miete (abzüglich Teuerung) verhelfen. Allerdings erst ab dem nächsten Kündigungstermin. Da hat Hugo Gubler seinem Vermieter in den letzten Jahren ordentlich Geld geschenkt. Schade, nicht wahr?
Sinkt er oder nicht?
Viermal pro Jahr legt das Bundesamt für Wohnungswesen den Referenzzinssatz zur Berechnung der Mietzinse neu fest. Seit Mitte 2017 gilt ein Satz von 1,5 Prozent. Experten gehen davon aus, dass er dieses Jahr auf 1,25 Prozent sinken wird, allenfalls schon beim nächsten «Zinstermin» am 2. März. Behalten Sie die Augen offen – die Senkung um 0,25 Prozent bedeutet für Mietwohnungen um bis zu 3 Prozent weniger Nettomiete.
Mietkonflikte Schlichtung: Wie geht das?
Konflikte in Mietsachen sind nicht direkt bei den Gerichten klagbar. Zunächst müssen Sie sich dafür an die Schlichtungsstellen wenden. Sie sind vom Kanton eingesetzt. Den Vorsitz führt jeweils eine Amts- oder Gerichtsperson, anwesend ist zudem eine paritätische Vertretung der Mieter- und der Vermieterseite (meistens Fachrichter des Mieterverbands und des Hauseigentümerverbands).
ERGEBNISSE. Die Schlichtungsstelle hat den Auftrag, die Parteien zu beraten und eine aussergerichtliche Einigung zu erzielen. Die möglichen Ergebnisse sind:
- Gütliche Einigung Parteien.
- Entscheid. Die Schlichtungsstelle fällt bei geringen Streitwerten einen Entscheid.
- Urteilsvorschlag. Die Schlichtungsstelle formuliert ein provisorisches Urteil. Lehnt keine Partei den Vorschlag ab, wird er zum rechtskräftigen Urteil.
- Klagebewilligung. Die Schlichtungsstelle erteilt die Bewilligung zur Einreichung einer Klage am Gericht.
FRISTEN. Wollen Sie gegen einen Anfangsmietzins, eine Mietzinserhöhung, eine Kündigung oder eine andere einseitige Vertragsänderung vorgehen, müssen Sie diese innert 30 Tagen nach ihrer Mitteilung anfechten. Die Schlichtungsstelle hat danach zwei Monate Zeit, das Verfahren zu eröffnen, und ist gehalten, es innert längstens zwölf Monaten abzuschliessen.
KOSTEN. Im Schlichtungsverfahren entstehen weder Gerichts- noch Parteikosten.
UNTERSTÜTZUNG. An den Verhandlungen müssen Sie persönlich anwesend sein, dürfen aber einen Rechtsbeistand mitnehmen. Der Mieterverband empfiehlt, sich bereits vor dem ersten Gang zur Schlichtungsstelle beraten zu lassen. Für Mitglieder ist die Beratung kostenlos.