Das Coronavirus und das Arbeitsrecht: Was ist, wenn die Züge nicht mehr fahren?

Das Coronavirus geht um. Was muss die Firma, und was darf sie? Welche Rechte und Pflichten haben die Angestellten? Die häufigsten Fragen – und die Antworten der Unia-Rechtsberatung.

GOLDENE REGELN: Die Empfehlungen des BAG gelten auch für die Arbeitswelt. www.bag-coronavirus.ch. (Grafiken: BAG, bearbeitung: work)

Ein neues Virus breitet sich aus – und mit ihm die Angst, selber zu erkranken und damit andere anzustecken. Das kann natürlich auch während der Arbeit passieren. Hinzu kommt der Arbeitsweg: man pendelt in überfüllten Zügen, greift im Tram nach der Haltestange – wie viele Hände haben hier schon ihre Spuren hinterlassen? Nein, da bleibt man doch lieber gleich zu Hause, schart die Familie um sich und ernährt sich von den Konserven, die man wohlweislich gebunkert hat.

Nur: So einfach ist das nicht. Oder noch nicht: Der Bundesrat hat befunden, es handle sich derzeit um eine «besondere Lage», und hat Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen verboten; die Kantone entscheiden, wie kleinere Veranstaltungen zu hand­haben seien, im übrigen bestehen aber bisher keine weiteren ge­nerellen Einschränkungen. Weder für den öffentlichen Verkehr noch für Firmen oder Schulen (Stand 11. März). Das bedeutet für Firmen und ihre Angestellten im Grundsatz, dass die üblichen Regeln gelten. Arbeitsverträge sind zu erfüllen – von beiden Seiten. Allerdings ­bekommt ein Aspekt des Vertrags- und Arbeitsrechts im Lichte des Coronavirus eine besondere Bedeutung: die Fürsorgepflicht der Firmen, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden bestmöglich zu schützen. So sieht die Rechtslage in konkreten Fragestellungen aus:

ZUR ARBEIT ODER NICHT?

Aus Angst, infiziert zu werden, gehe ich nicht zur Arbeit. Was können die Folgen sein?
Sofern die Behörden keine Anweisungen erteilt oder Massnahmen eingeleitet haben, handelt es sich um eine unbegründete Arbeitsverweigerung. Es besteht kein Anspruch auf Lohnzahlung, und die Firma kann Sie nach einer Verwarnung fristlos entlassen. Kommt es aber zu behördlichen Verfügungen und Ihre Firma befolgt diese nicht, dürfen Sie die Arbeit verweigern, und Ihre Firma muss Ihnen weiterhin den Lohn zahlen.

Ich habe Symptome der Viruserkrankung ­(Fieber, Husten, Atemnot), was soll ich tun?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt, bei Fieber oder Husten zu Hause zu bleiben. Informieren Sie die Firma über Ihre Absenz und ihren Grund. Rufen Sie Ihre Ärztin an, sie wird eine Diagnose stellen. Auch wenn Sie nicht verpflichtet sind, Ihrer Firma die Ursachen Ihrer Krankheit mitzuteilen, sollten Sie sie informieren, falls Sie mit dem Virus infiziert sind.

ARBEITSWEG

Ich bin Grenzgänger. Falls die Grenze geschlossen wird und ich nicht mehr zum Arbeitsort fahren kann, habe ich Anspruch auf den Lohn?
Ja, der Lohnanspruch bleibt bestehen, denn es handelt sich um einen Beschluss der Behörden, auf den Sie keinen Einfluss haben.

Falls die öffentlichen Verkehrsmittel ihren Betrieb einstellen, kann ich nicht mehr zur Arbeit fahren. Riskiere ich dann, entlassen zu werden?
Nein, Ihre Firma darf den Arbeitsvertrag deswegen nicht kündigen. Sind Sie an der Arbeitsleistung verhindert, weil Sie wegen einer Störung des öffentlichen Verkehrs nicht zur Arbeit fahren können, muss die Firma allerdings den Lohn für die ausgefallene Arbeitszeit nicht zahlen. Können Sie die Arbeit aber von zu Hause aus verrichten, erhalten Sie Ihren Lohn.

AN DER ARBEIT

Darf meine Firma am Betriebstor eine Temperaturkontrolle der Mitarbeitenden anordnen?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle notwendigen Hygienemassnahmen zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeitenden zu ergreifen. Vor dem aktuellen Hintergrund kann es verhältnismässig sein, die Temperatur am Betriebseingang zu messen und im Zweifelsfall jemanden zu bitten, zu Hause zu bleiben.

Habe ich Anspruch auf Lohn, wenn man mich mit Fieber nach Hause schickt?
Haben Sie Fieber, sind Sie fraglos krank und haben Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit. Die Behörden haben den Firmen aktuell empfohlen, ein Arztzeugnis erst ab dem fünften Tag zu verlangen.

Bekomme ich Lohn, wenn meine Firma den Betrieb auf behördliche Anordnung schliesst?
Muss das Unternehmen aufgrund eines behördlichen Entscheids schliessen, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung, da der Arbeitgeber das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt. Der Arbeitgeber kann bei einer Arbeitslosenkasse seiner Wahl Kurzarbeitsentschädigung geltend machen.

Darf mir meine Chefin wegen des Virus für ­einen gewissen Zeitraum einen andern Arbeitsort oder eine andere Tätigkeit zuweisen?
Grundsätzlich ja – unter diesen Voraussetzungen: Es besteht eine dringende Not­wendigkeit, die Persönlichkeitsrechte des ­Arbeitnehmers werden respektiert, und die Umdisposition ist provisorischer Natur. In jedem Fall müssen die entstandenen zusätzlichen Kosten einer solchen Änderung von der Firma bezahlt werden.

REISEN UND FERIEN

Darf die Firma mich zwingen, eine Geschäftsreise in ein Risikogebiet zu unternehmen?
Verpflichtet Sie Ihr Arbeitsvertrag zu geschäftlichen Reisen, müssen Sie die Anordnungen des Arbeitgebers befolgen, solange die Behörden keine Reisebeschränkungen erlassen haben. Leiden Sie allerdings unter gesundheitlichen Problemen – zum Beispiel an einem geschwächten Immunsystem –, darf Sie der Chef nicht in Risikogebiete schicken, denn er ist zum Schutz der Persönlichkeit seiner Mitarbeitenden verpflichtet.

Mein Chef verbietet mir, in den Ferien in ein Risikogebiet zu reisen. Darf er das?
Nein. Der Arbeitgeber hat kein Recht, sich in die Reisepläne seiner Mitarbeitenden während ihrer Freizeit zu mischen.

Ich komme nicht rechtzeitig aus den Ferien in einem Risikogebiet zurück, weil meine Airline die Flüge gestrichen hat. Muss ich die Fehlzeit in der Firma als Ferien anrechnen lassen?
Ja. Sitzen Sie wegen verkehrstechnischer Probleme am Ferienort fest, haben Sie keinen Lohnanspruch für die Zeit, während deren sie länger abwesend sind.

Kann meine Chefin mich nach den Ferien nach Hause schicken, weil ich mich in einem Risikogebiet aufgehalten habe?
Sie darf Sie nach Hause schicken, Sie haben jedoch Anspruch auf Lohnzahlung.

Fragen und Antworten zur arbeitsrechtlichen Situation infolge des Coronavirus finden Sie auf dem aktuellsten Stand auch auf unia.ch/corona.


Betriebsferien und Kurzarbeit Wegen Corona geschlossen

Je nach Branche und internationaler Verflechtung sind Schweizer Firmen vom Coronavirus wirtschaftlich betroffen. Dennoch: Die Firma darf aus diesem Grund nicht einfach kurzfristig Betriebsferien anordnen. Entscheidet sie sich – ob mit oder ohne behördliche Anordnung – dazu, den Betrieb vorübergehend zu schliessen, schuldet sie den Mitarbeitenden weiterhin den Lohn. Denn der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko.

KURZARBEIT. Die Firmen können unter Umständen Kurzarbeit und damit die Auszahlung von Kurz­arbeitsentschädigung beantragen. Für das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gehören das unerwartete Auftreten des neuen Virus und seine Auswirkungen nicht zum normalen Betriebsrisiko, weshalb Gesuche um Kurzarbeit ­wegen des Coronavirus grundsätzlich genehmigt werden. Jedoch muss die Firma nachweisen ­können, dass die zu erwartenden ­Arbeitsausfälle tatsächlich im ­Zusammenhang mit dem Virus stehen.

80 PROZENT. Als Mitarbeitende müssen Sie mit der Anordnung von Kurzarbeit einverstanden sein und Ihr Einverständnis schriftlich bezeugen. Sie erhalten 80 Prozent des Verdienstausfalls ver­gütet, und die Sozialversicherungs­beiträge werden weiterhin auf dem vollen Lohn abgerechnet. Absolvieren Sie im betroffenen Betrieb eine Berufslehre, sind Sie von Kurzarbeit ausgenommen und erhalten den vollen Lehrlingslohn.

2 Kommentare

  1. Daniele Ruess 21. Mai 2020 um 13:56 Uhr

    Darf ich als Arbeitsgeber die vorgesehenen Ferien eines Arbeitsnehmers, für das Ausland verweigern ? (Ausland wo das Einreisen gestattet ist)
    Bei einer Quarantäne beim Ein- u/o Ausreisen oder andere Verzögerungen der Ferienzeit, wer kommt für die Lohnkosten auf ?

  2. Deborah Zehnder 21. März 2020 um 11:46 Uhr

    BAG – So arrogant

    Habe heute gelesen, das BAG sagt den Arbeitnehmer :
    nehmt das Auto an die Arbeit…

    Seit 5 Jahren habe ich kein Auto mehr und muss arbeiten gehn. Finde es ziemlich arrogant.

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