Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Am Anfang war die Petition vom 25. März, von der Gewerkschaft Syndicom lanciert und «von Tausenden von euch» unterzeichnet: «Alle, die an der Front arbeiten, sollen eine Corona- Risikoprämie erhalten.»
Es folgten zwei Informationsschreiben. In einem teilte die Gewerkschaft freudig mit: «Euer Engagement hat sich gelohnt. All jene, die in der Zustellung, der Sortierung oder am Schalter gearbeitet haben, erhalten einen Bonus von 500 Franken respektive 250 bei einem Beschäftigungsgrad von weniger als 50 Prozent. Syndicom hat diese Prämie für alle Postangestellten gefordert (…). Die monetäre Entschädigung ist in dieser Zeit ein Zeichen.»
«Der Presto-Kollege erhält keine Prämie.»
VERGESSEN. Im Brief von der Post vom 20. April – im vertraulichen Du gehalten – wird die Gewerkschaft mit keinem Wort erwähnt. Die Post erscheint als Urheberin der Wohltat, und so wird es auch vom Teamchef kommuniziert. Als die Briefträgerin spöttisch nachfragt, gibt er aber ohne Zögern zu: «Ja, die Gewerkschaft steckt dahinter.» So als wäre diese Nebensächlichkeit kaum der Rede wert.
Die Post und die Gewerkschaft … «Man merkt dem Postsektor von Syndicom halt an, dass er früher ein Personalverband gewesen ist», bemerkte einmal eine kämpferische Gewerkschafterin. Während Thomas Baur, Konzernleitungsmitglied, vor ein paar Jahren froh in der Personalzeitung verkündete, einer seiner grössten Erfolge als ehemaliger Leiter PostMail sei gewesen, dass heute nicht mehr für jede Entscheidung die Gewerkschaft konsultiert werden müsse. Das Vertrauen der Belegschaft in die Postführung mache dieses Prozedere überflüssig.
UNERFREULICH. Die Risikoprämie ist erfreulich, der Begleitbrief der Post sympathisch, es schallt ein neuer Ton durch die gelben Hallen. Unerfreulich ist, dass die Leute von Presto, der für die Frühzustellung der Zeitungen zuständigen Posttochter, bisher nix bekommen. In seiner April-Lohnabrechnung findet der Presto-Kollege der Briefträgerin jedenfalls keine Prämie.