Bauarbeiter Simon Lüthi (34) gehört zur Corona-Risikogruppe. Und wird geschasst. Weil er sich wehrt, könnte der Fall bald die Gerichte beschäftigen. Als einer der ersten in der aktuellen Corona-Krise.
GEFÄHRLICHE NÄHE: Bauarbeiter Simon Lüthi hat dokumentiert, dass Walo Bertschinger die vorgeschriebenen Corona-Massnahmen ungenügend umsetzt. (Fotos: Simon Lüthi)
Als Büezer Simon Lüthi * Ende März ins Büro zitiert wird, erwartet ihn dort die Kündigung. Weil er sich weigert zu unterschreiben, trommelt der Chef alle zusammen, die im Büro sind. Sie müssen auf einem Zettel bestätigen, dass die Kündigung stattgefunden hat. Lüthi: «Ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher.»
Das Unternehmen sagt, Lüthi sei aus «wirtschaftlichen Gründen» entlassen worden. Lüthi glaubt das nicht. Denn: Sollte es wegen Corona weniger Arbeit geben, könnte das Unternehmen schliesslich Kurzarbeit beantragen. Die Vermutung des Büezers: Er musste gehen, weil er sich vor einer Ansteckung schützen wollte.
«Die Gesundheit der Arbeiter ist der Firma egal.»
EINDEUTIGE FOTOS
Lüthi gehört zur Corona-Risikogruppe. Wegen einer Ohren-OP im vergangenen Winter und weil er Asthma hat. Sein Arzt schickt ihm sofort eine Bestätigung, als Mitte März die Corona-Massnahmen kommen und der Bundesrat die Risikogruppe auffordert, nicht mehr nach draussen zu gehen. «Ich habe das direkt ans Geschäft weitergeleitet», sagt Lüthi. «Aber dort hiess es, ich müsse weiter wie bisher zur Arbeit erscheinen. Schliesslich sei ich nicht krank geschrieben.» Und das, obwohl die Anordnung der Regierung besagt: Wer zur Risikogruppe gehört, soll unter Lohnfortzahlung zu Hause bleiben können. Insbesondere, wenn die Schutzmassnahmen nicht eingehalten werden. Und genau das ist der Fall. Am 8. April macht Lüthi Fotos, die zeigen: Die Männer auf der Baustelle arbeiten dicht an dicht. Daneben erzählt der Büezer work: «30 Männer teilen sich ein WC, leere Desinfektionsmittelspender werden nicht regelmässig aufgefüllt, und die, die betonieren, sitzen fast aufeinander.» Für ihn ist klar: «Die Gesundheit der Arbeiter ist dem Unternehmen egal.»
Statt Schutz gibt’s für Risikopatient Lüthi die Kündigung. Und Schikanen: Er wird von Equipe zu Equipe verstzt. Seine alten Kollegen sieht er kaum mehr. Und plötzlich werden ihm Aufgaben zugeteilt, die seine Gesundheit zusätzlich belasten: «Wegen meines Asthmas kann ich keine Arbeiten machen, bei denen viel Staub entsteht. Bisher musste ich das auch nicht. Aber jetzt wurde ich auf einmal zum Betonieren eingeteilt.»
Gegenüber work weist Walo Bertschinger alle Vorwürfe zurück. Die Firma habe «sämtliche Sicherheitsmassnahmen ergriffen und sich stets an die Schutzvorkehrungen des Bundesrates gehalten».
FALL FÜR DEN RICHTER
Inzwischen ist Lüthi nicht mehr bei Walo Bertschinger angestellt. Doch für das Unternehmen hat die Geschichte ein juristisches Nachspiel. Zusammen mit der Unia ficht Lüthi die Kündigung an. Unia-Rechtsberaterin Gohar Tabaker betreut den Fall mit und stellt klar: «Der Arbeitgeber hat die vorgeschriebenen Covid-19-Schutzmassnahmen nicht eingehalten. Die Kündigung ist deshalb missbräuchlich.»
Gibt es keine Einigung, landet der Fall vor Gericht. Es könnte das erste Urteil werden, das die Gerichte in Sachen Corona und Arbeitsrecht treffen müssen. Und Unia-Frau Tabaker ist sich sicher: «Das wird kein Einzelfall bleiben.» Das Urteil könnte deshalb auch für andere von der Kündigung betroffene Arbeiterinnen und Arbeiter wichtig sein.
* Name geändert
ich hoffe nur, dass das gericht hier einmal recht spricht. das wäre völlige übernahme der arbeitslosenkosten (inkl. der kosten des RAV), so wie übernahme des lohnausfalles (normaler lohn minus arbeitlosengeld) während der arbeitslosigkeit plus eine entschädigung fur alle zusätzlichen umtriebe. nur wenn solche rechtsverstösse genug kosten, überlegen sich gewisse leute. ob sie es überhaupt versuchen wollen!