Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.
Arbeitslosigkeit und Armut sind Stichworte, die jetzt in der Coronakrise allgegenwärtig sind, auch in der Schweiz. Arbeitnehmende, die auf Kurzarbeit gesetzt oder entlassen werden, kommen wegen der Einkommenskürzung an oder sogar unter das Existenzminimum. Das gleiche gilt für eine grosse Zahl von Selbständigen, die in den letzten Monaten Verdienstausfälle in Kauf nehmen mussten. Über die Hälfte der Haushalte verfügen über weniger als 50’000 Franken Vermögen, ein Viertel der Bevölkerung besitzt gar nichts oder hat gar Schulden. Eine längere Periode mit Verdienstausfällen können die meisten nicht ohne Hilfe durchstehen, sie haben kaum Reserven.
(Quelle: Armut und materielle Entbehrung (SILC))
KONSTANT HOCH. Wie die Grafik zeigt, ist Arbeitslosigkeit und Armut kein neues Phänomen. Bereits in den letzten 10 Jahren, die nach der Finanzkrise eigentlich Jahre der Hochkonjunktur waren, ist die Erwerbslosigkeit konstant hoch geblieben. Noch 2018 war die Erwerbslosenquote mit 4,7 praktisch gleich hoch wie 2009; erst im letzten Jahr ging sie etwas zurück. Sehr ähnlich sieht es bei der Armutsquote der Erwerbstätigen aus, die seit 2010 etwa gleich blieb. Als arm gelten Erwerbstätige, die in einem Haushalt leben, der über weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens verfügt, 2018 entsprach das bei einem Einpersonenhaushalt 2080, bei einem Vierpersonenhaushalt 4370 Franken. Kein Wunder, dass auch jener Teil der Bevölkerung, der auf Sozialhilfe angewiesen ist, in den letzten 10 Jahren nicht kleiner, sondern sogar grösser geworden ist.
50 PROZENT MEHR ARBEITSLOSE. Die Coronakrise hat jetzt zu einer noch nie dagewesenen Anzahl von Kurzarbeitenden und einem gegenüber dem Vorjahresmonat über 50prozentigen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH rechnet bis Anfang 2021 mit einem Anstieg der Erwerbslosenquote auf 6 Prozent, das wäre der höchste Wert der letzten 50 Jahre. Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und Erwerbsausfälle könnten viele Familien in den nächsten Monaten in Armut und Abhängigkeit treiben. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe rechnet je nach Szenario mit einem Anstieg der Sozialhilfebeziehenden um 70’000 – 100’000 Personen, was die Sozialhilfequote von heute 3,2 auf 4 bis 4,3 Prozent erhöhen würde. Neben den nötigen Überbrückungshilfen braucht es deshalb jetzt Gegenstrategien wie ein sozial- und umweltorientiertes Impulsprogramm, um die Schweizer Wirtschaft schnell wieder aus der Krise zu führen.