Das Corona-Management des Bundes hat ein Geschlechterproblem:
Der Krisenstab ist ein Männerstab

Zur Bewältigung der Corona­krise hat der Bundesrat einen Krisenstab eingerichtet. Und dabei die Frauen vergessen.

DIE «SYSTEMRELEVANTEN» FEHLEN : In den vielen Krisen-Gremien des Bundes sind weder die Pflege nich die Kinderbetreuung vertreten. (Foto: Keystone)

«Wo sind die Frauen?» Das fragt die grüne Nationalrätin Manuela Weichelt-Picard in einem Vorstoss, den 36 weitere Nationalrätinnen mitunterschrieben haben. Die Politikerinnen wollen wissen, warum in den Corona-Krisengremien des Bundes fast nur Männer sitzen. Oder eben: Wo die Frauen geblieben sind. Zum Beispiel im Corona-Krisenstab des Bundesrates. Dort werden die wichtigsten Diskussionen geführt und die Entscheidungsgrundlagen ausgearbeitet. Von Departementsmitgliedern, Mitgliedern der Bundeskanzlei und einem Kantonsvertreter. Aktuell dabei: 12 Männer und 2 Frauen.

KRISE: Das Geschlechterverhältnis im Corona-Krisenstab des Bundesrates liegt bei 12 zu 2. (Illustration: Rolf Willi)

PFLEGE UND KITAS FEHLEN

Ein krasses Missverhältnis, das vor Augen führt: die Machtpositionen sind noch immer grösstenteils in Männerhänden. Neu ist das nicht. Nur fällt das während der aktuellen Coronakrise gerade besonders auf. Schliesslich wurde da plötzlich sichtbar, wie viel von den Frauen abhängt. Im Verkauf etwa, in der Pflege und in der Kinderbetreuung. Satte 69 Prozent des Arbeitsvolumens in der Schweiz werden im Sorge- und Versorgungssektor geleistet. Frauen stemmen rund zwei Drittel dieser Arbeit. Schlecht bezahlt oder ganz ohne Lohn.

Trotzdem sind ausgerechnet diese systemrelevanten Branchen in keinem der vielen Corona-Gremien des Bundes vertreten. Im Gegensatz zu den Verbänden von Swissmem bis Swiss Textiles einschliesslich Economiesuisse-Boss Heinz Karrer. Und während bei der grossen bundesrät­lichen Geldverteilung selbst die Winzer 10 Millionen einstrichen, bekamen die Pflegerinnen und Pfleger: rein gar nichts (siehe rebrand.ly/­corona-kassierer). Noch nicht einmal eine Corona-Gefahrenzulage stand zur Debatte. Während Teile des Gesundheitsschutzes ungeniert ausgehebelt wurden.

Ähnlich wäre es fast auch den Kitas ergangen. Obwohl sie der Bundesrat bei der Lockdown-Verkündung Mitte März als systemrelevant bezeichnete: finanzielle Hilfe sollten sie keine bekommen. Das Parlament korrigierte das nachträglich, jetzt fliessen 65 Millionen Franken. Doch dieser Betrag wird vermutlich nicht reichen. Gemäss Schätzungen sind 200 Mil­lionen Franken nötig, um die finan­ziellen Ausfälle zu kompensieren. Kommt es zu Konkursen, wird das Betreuungsnetz für Familien noch löchriger, als es sowieso schon ist.

Die systemrelevanten Branchen sind in den Corona-Gremien des Bundes nicht vertreten.

ZEHN SITZE GEFORDERT

Kein Wunder finden da jetzt viele Frauen: «So nicht!» Über 50 Frauenorganisationen von links bis bürgerlich forderten Ende Mai in einem Appell von Bundesrat und Parlament, die Frauen endlich zu berücksichtigen (siehe Artikel oben). Am 18. Juni will der Nationalrat nun eine Gleichstellungsdebatte führen.

Weil das nicht reichen wird, legen die Frauenstreik-Aktivistinnen jetzt nach. In einem Brief fordern sie den Bundesrat dazu auf, im Krisenstab zehn zusätzliche Sitze zu schaffen (rebrand.ly/krisenstab). Und mit Expertinnen zu besetzen. Denn: «Die Männer managen die Krise an uns vorbei.»

Mitreden und mitentscheiden sollen vor allem auch jene, die für die Krisenbewältigung zentral waren und sind. Etwa aus dem Gesundheitsbereich, der Gastrobranche, dem Detailhandel und der Reinigung. Bisher hat sich der Bundesrat dazu nicht geäussert. Doch für die Frauen ist klar: «Ohne uns geht es nicht.»

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