Die Krisenpolitik des Bundesrates war wirtschaftlich teilweise mutig. Jetzt hat im Parlament wieder die rechte Mehrheit das Sagen. Und macht die Menschen ärmer.
GROSSER ANSTIEG. Im Mai waren 156’000 arbeitslose Menschen bei den RAV gemeldet. (Foto: work)
Der Bundesrat hat in der Coronakrise vieles richtig gemacht. Auch wirtschaftspolitisch. Und vor allem auch auf Druck der Gewerkschaften: Er weitete die Kurzarbeit aus, verlängerte die Taggeldbezugsdauer in der Arbeitslosenversicherung und beschloss ein Nothilfepaket für Selbständige. Dieses ist nun Ende Mai ausgelaufen – zusammen mit den Lockdown-Lockerungen.
Der Bundesrat hat aber auch vieles (noch) nicht ganz richtig gemacht. So ist zum Beispiel die Lohnkürzung von 20 Prozent für Lohnabhängige in Kurzarbeit immer noch in Kraft. Das schwächt die Kaufkraft und damit die Binnenwirtschaft. Denn einen Fünftel weniger verfügbares Einkommen zu haben ist gerade für kleine und mittlere Einkommen eine riesige Belastung. Und gerade diese Einkommensklassen sind von der Kurzarbeit überdurchschnittlich betroffen. Rund die Hälfte der Kurzarbeitenden arbeiten nämlich in den Branchen mit den tiefsten Löhnen. In den Branchen mit den höchsten Löhnen gibt es hingegen kaum Kurzarbeit. Das hat Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, bereits im work vom 30. April belegt (nachzulesen hier: https://rebrand.ly/1×1).
Ebenfalls ein Ärgernis ist, dass Firmen, die von den Bundesmilliarden profitieren, keine Arbeitsplatzgarantie abgeben müssen. Das ist dringlich, denn die Arbeitslosenzahlen explodieren: Im Mai waren 156’000 arbeitslose Menschen bei den RAV gemeldet. Die Folgen der Coronakrise erschweren auch die Stellensuche. Im Mai ging die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent zurück.
Rechte Ratsmehrheit lässt Selbständige zittern.
UMLEITUNG I: DIVIDENDEN
Eine Unverschämtheit ist, dass sich Firmen, die die Löhne ihrer Mitarbeitenden ganz oder teilweise von der Allgemeinheit bezahlen lassen, den Aktionärinnen und Aktionären weiterhin unbeschränkt fette Dividenden ausbezahlen können – also im Effekt Steuergelder steuerbegünstigt in die Tasche dieser umleiten dürfen. Der Versuch, dieses Unding zu stoppen, scheiterte an der rechten Mehrheit im Ständerat. Der Nationalrat hatte zugestimmt. Besonders hervorgetan hat sich der Zürcher FDPler Ruedi Noser, der auch dank den rechten Grünen von der GLP wiedergewählt wurde. Wie das Lobbying der Reichen und Superreichen lief, hat work hier beschrieben: rebrand.ly/dividendenabzocker.
UMLEITUNG II: MIETEN
Ein grosses Problem für die Mehrheit der vom Lockdown betroffenen Gewerblerinnen und Gewerbler sind die Mietzinse. Die liefen trotz eingeschränkter oder gar völlig ruhender Geschäftstätigkeit weiter. Für die Löhne der Mitarbeitenden kommt die Allgemeinheit via Kurzarbeitsentschädigung auf. Bleiben als grosser Kostenblock also noch die Mieten, Kreditzinsen und Versicherungsprämien. Wer sich als KMUler oder Gewerblerin einen Kredit aus dem Liquiditätsprogramm von SVP-Finanzminister Ueli Maurer holt, wird das Geld für Mieten, Versicherungen und Zinszahlungen brauchen. Es also an Immobilienhaie, Banken und Versicherungen weiterreichen müssen. Die sind denn auch des Lobes voll für Maurers von den Banken mitgeschriebenes Programm.
KNAPP, ABER IMMERHIN
Die fortschrittlichen Kräfte wollten die Mietprobleme des kleinen und mittleren Gewerbes effizient angehen. Bereits in der Corona-Sondersession forderten sie deshalb einen Mietzinserlass für die Zeit der coronabedingten Laden- und Beizenschliessungen. Doch die «Gewerbeparteien» stellten sich quer und schoben das Geschäft auf die lange Bank. In der laufenden Session kam es hauchdünn doch noch zu einem Kompromiss. Die Gewerbler müssen lediglich 40 Prozent der Mieten während des Lockdowns bezahlen. Bis die Sache aber über die Bühne ist, dauert es noch Monate. Über ein entsprechendes Gesetz werden die Räte wohl frühestens im Dezember entscheiden.
BUNDESRAT HILFT NICHT
Ebenfalls am ausgestreckten rechten Arm verhungern lässt die rechte Parlamentsmehrheit die Selbständigerwerbenden. Ihr Krisenprogramm ist seit Ende Mai ausgelaufen. Obwohl unzählige von den Kleinstbetrieben, speziell aus der Kultur- und Eventbranche, weiterhin massiv unter den coronabedingten Einschränkungen leiden. Grössere Veranstaltungen sind bis mindestens August nicht in Sicht.
Die Zürcher SP-Nationalrätin und Kandidatin fürs Partei-Co-Präsidium, Mattea Meyer, reichte deshalb zwei Motionen ein, die die Lage der Selbständigen verbesseren wollten. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats stimmte einer Verlängerung der Massnahmen zwar zu. Doch in der ständerätlichen Schwesterkommission lehnte eine Mehrheit aus SVP, CVP und FDP die Vorstösse ab. Auch vom Bundesrat kam keine Hilfe. Zwar wollte Innenminister Alain Berset (SP) ebenfalls eine Verlängerung. Doch Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) stellte sich quer. Gepusht von den Marktradikalen im Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), das ihm unterstellt ist.
Unia-Appell: Gegen Corona-Entlassungen, für 100-Prozent-Lohn
Trotz 60 Milliarden Franken Staatshilfe steigen die Arbeitslosenzahlen massiv. Das geht so nicht! Die Firmen erhalten Unterstützung, damit sie Jobs erhalten und die Löhne weiterzahlen. Darum darf es keine Corona-Entlassungen geben. Zurzeit sind über
1,5 Millionen Arbeitende in Kurzarbeit und bekommen nur 80 Prozent ihres Lohnes ausbezahlt. Das ist für kleine und mittlere Einkommen ein grosses Problem. Das muss sich ändern.
JETZT UNTERSCHREIBEN! Die Unia hat deshalb einen Appell lanciert, der beide Missstände beheben will. Konkret:
- Berufstätige mit mittleren Einkommen (bis 5000 Franken) müssen bei Kurzarbeit 100 Prozent Lohnersatz bekommen.
- Die Firmen müssen mit den Bundes-Milliarden Arbeitsplätze garantieren.
Der Appell kann hier unterschrieben werden: rebrand.ly/corona-appell